Mittwoch, 20. Juni 2012

Bananenbier und Yucca-Knoten

Ich hatte eine Fortsetzung der Kaffeefahrt auf Tansanisch versprochen - hier ist sie. Selbstverständlich mit Oscar, unserem unterhaltsamen Reiseführer. Der auch nach dem Mittagessen nicht versuchte, uns Heizdecken oder Nahrungs-Ergänzungsmittel zu verkaufen, sondern uns zu einem Wasserfall führte. Vorbei an Hütten, die wie Lagerschuppen aussehen, aber tatsächlich Wohnhäuser sind.

Sollte aus dem vorangegangenen Blog herauszulesen sein, dass die Bewohner dieser Region Kontakte zu ihren Mitmenschen scheuen, so trifft das in Bezug auf den bösen Blick sehr wohl zu. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch sehr gesellig zugehen kann. Und auch das hat mit der Tradition und dem zu tun, was wir Aberglauben nennen. Oscar hat da ein sehr anschauliches Beispiel parat, dass er auf dem Weg zum Wasserfall anschaulich zu erklären weiß.

Wenn man möchte, dass der eigene Grund und Boden gesegnet wird, so muss man dafür sorgen, dass möglichst viele Menschen sich zwischen Bananenstauden und Kaffepflanzen erleichtern. Auf gut Deutsch - sie sollen dort pinkeln. Ja, tatsächlich. Selbstverständlich nicht einfach so mal zwischendurch, sondern im Rahmen eines Festes. Da man das meiste Wasser lassen kann, wenn man vorher reichlich Flüssigkeit zu sich genommen hat, sollte es zu diesem Fest genügend zu trinken geben. Und dafür hat man hier das Bananenbier.

Allein in der Region hier gibt es über 40 Bananensorten.
Dessen wichtigste Zutat sind - richtig: Bananen. Dann kommen noch eine Grassorte und Bierhefe hinzu, eine aufwendige, mehrtägige Prozedur folgt, bis das Ergebnis verzehrt werden kann. Möglichst schnell, erzählt Oscar, weil die Gärung nicht unterbrochen wird. Will heißen, das Bier gewinnt über den Tag an Stärke und soll schon am nächsten Morgen nicht mehr wirklich zu genießen sein. Auch sein Vater hatte zu einer solchen Feier geladen, für die eine wichtige Voraussetzung ist, dass man die Nachbarn aufsucht und um Bananen bittet. Da ohnehin mehr wachsen, als benötigt werden, werden die bereitwillig und kostenlos gegeben, schließlich winkt ja Biergenuss als Belohnung. Dann wird gebraut, was das Zeug hält, 6000 Liter waren es bei Oscars Vater.

Schon früh am Morgen kommt die Verwandtschaft, die extra eingeladen wird. Alle anderen erfahren von der Party durch einen Teil einer Yucca-Palme. Der, frisch gekappt auf den Boden in den Eingang zum Grundstück gelegt, verheißt nämlich Freibier. Bis zum Abwinken. Und das auch noch in großer Vielfalt. So gibt es Bier für die Alten, für jüngere verheiratete Männer, deren Frauen, für die Unverheirateten, für Jugendliche und selbst für Kleinkinder, das sich durch den Stärkegrad unterzeichnet. Die Personengruppen sitzen auch getrennt irgendwo in der Plantage, trinken, was das Zeug hält. Und segnen Grund und Boden.

Sag es mit der Yucca-Palme.
Die Yucca-Palme, so erklärt uns Oscar unterwegs, ist aber auch für feinere Nachrichten zu verwenden. Hat sie in einem Blatt einen Knoten, so heißt das zwar auch, dass es Bananenbier gibt. Aber nicht zum Verschenken, sondern zum Verkaufen. Und zwar nur für Männer. Hat das Yucca-Stück zwei Knoten, gibt es Bier zu verkaufen für Frauen und Männer. Und wird es einfach, ohne Knoten, an einer beliebten Abkürzung an einen Baum gebunden, so will der Besitzer des Grundstücks sagen, dass er es nicht mag, dass jemand dort langläuft. Ob er gnädiger ist, wenn die Durchläufer in seine Plantage pinkeln, habe ich Oscar nicht gefragt.

Weiße anfassen macht glücklich.
Im Sprühnebel am Wasserfall.
Auf dem Weg zum Mnambe-Wasserfall, einem von vielen heiligen Orten rund um den Kilimanjaro, zeigt uns unser kundiger Führer Chamäleons, die uns im Leben nicht aufgefallen wären, Pflanzen zum Würzen und zum Topfreinigen, eine Blume, deren Samenkapsel als Ohrring Verwendung finden kann. Unterwegs schließen sich uns Kinder an, am Ende sind es sechs, die neugierig die Weißen betrachten. Ein Mädchen fasst sich schließlich ein Herz und uns alle mal an. Und schließlich sehen wir den etwa 80 Meter hohen Wasserfall, begeben uns kurz für ein paar Fotos hinein in seinen Sprühnebel und treten auch schon wieder den Rückweg an.

Oscar ist ein Bananenbierfan.
Nach einem kurzen Abschiedsbesuch bei Oscars Familie gehen wir wieder zum Auto. Auf halber Strecke zurück nach Moshi halten wir an einer der zahlreichen kleinen Bars an und bekommen letztlich sogar noch unser Bananenbier. Es schmeckt sehr rauchig, ist aufgrund der Grasbeimischung körnig zwischen den Zähnen, hat aber etwas deutlich bieriges. Heikes Geschmack ist es gar nicht, ich finde, es hat zumindest das Prädikat interessant verdient. Bezahlen müssen wir nichts, Oscar lädt uns ein. Auch wenn wir seinen Grund und Boden nicht gesegnet haben, sondern nur seine Toilette. Aber so groß ist der Unterschied, abgesehen von den Mauern um das Loch im Boden, ja nun auch wieder nicht.

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