Sonntag, 30. September 2012

PS - Pooh Scriptum (3)

Genug erholt - jetzt wird mal wieder geschrieben. Zumindest von mir...
Irgendwie hat er die Tage keine Lust zum Schreiben, sagt mein Mensch. Vielleicht so eine kleine Schreibblockade. HA! Da kann ich ja nur lachen. Faul ist er, jawoll. Seit er innerhalb von knapp drei Wochen knapp 4000 Kilometer durch Tansania und Ruanda gefahren ist, hängt er hier meist ab, und genießt das wunderschöne Wetter. Okay, er hat so langsam angefangen, die Ruanda-Lücken hier im Blog zu füllen. Und er hat auch endlich einen neuen Kiswahili-Lehrer gefunden und geht drei Mal die Woche für eine Stunde zum Unterricht. Aber er tut sich ganz schön schwer damit. Naja, zum Glück gibt es ja mich, so dass ihr im Hinblick auf interessante Geschichten nicht auf dem Trockenen sitzen müsst.

Heute will ich euch mal ein bisschen was über Sitten und Gebräuche hier in Tansania erzählen. Das ist gar nicht so einfach, weil es hier ja so viele unterschiedliche Religionen und innerhalb der Religionen wieder irgendwelche Unterreligionen gibt, die alle irgendwie andere Traditionen haben. Das geht in meinen kleinen Kopf nicht richtig rein. Zum Beispiel, dass es hier christliche Religionsgemeinschaften gibt, die ihren Mitgliedern den Genuss von Alkohol streng verbieten. Aber im Gottesdienst gibt es Messwein. Muss man das verstehen? Na, vielleicht ist Wein trinken kein Genuss, wenn man muss?

Alkohol ist hier nicht jedermanns Sache.
In den meisten indischen Restaurants gibt es hier jedenfalls keinen Alkohol. Noch nicht mal ein Bierchen. Dafür haben hier Moslems offensichtlich nicht so unbedingt was gegen Alkohol, wie ich das in anderen Ländern erlebt haben. Aber vielleicht haben die ja auch so kreative Auslegungen wie unser Hindu-Guide in Nepal, der beim Besuch im Steakhouse meinte, das sei doch kein Rindfleisch, das sei Büffel. Na, vielleicht war es das sogar. Auf jeden Fall fand ich die Antwort genial. Ansonsten läuft das, was Hindus und Moslems hier so veranstalten, sehr im geschlossenen Rahmen ab. Kann also nur von dem erzählen, was ich hier so von Christen erfahren habe.

Nehmen wir zum Beispiel mal eine ganz normale Feier. Wenn man hier zu einer solchen einlädt, dann macht man das, in dem man, wie bei uns, die Leute anspricht oder anruft, die man dabei haben möchte. Dann plant man, sagen wir mal für 50 Leute (das ist tief gestapelt, die Familien sind hier sehr groß). Will heißen, man besorgt Sitzgelegenheiten, Speisen, Getränke. Dann, am Tag der Feier, treffen irgendwann die Gäste ein. Dabei kann man absolut sicher sein, Überraschungen zu erleben. Da ist bei dem einen gerade die Mama mit ihren drei Nachbarinnen zu Besuch, der andere hat unterwegs noch den Cousin mit Frau und fünf Kindern getroffen und der Kollege hat noch andere Kollegen mitgebracht.

Will heißen, es kommen ein Haufen nicht eingeladene und somit auch nicht eingeplante Gäste. Die sich setzen, übers Essen und die Getränke hermachen, als gäbe es morgen nichts mehr. Und irgendwann kommen dann auch noch weitere eingeladene Gäste, für die noch ein paar letzte Reserven heranorganisisert werden. Oder für die es einfach nichts mehr gibt. Und keiner regt sich auf, alle finden das okay. Ist das nicht verrückt???

Vor etwa zehn Tagen war in der Nachbarschaft eine Frau gestorben. Eine offensichtlich gut betuchte Familie, die die Trauerfeier entsprechend aufgezogen hat. Aber grundsätzlich läuft die bei den meisten Christen gleich ab, habe ich mir sagen lassen. Die Verstorbenen kommen zunächst zur Aufbewahrung in ein Krankenhaus. Etwa eine Woche verstreicht, bis alle Verwandten, Freunde, Bekannten und Kollegen informiert und aus allen Landesteilen angereist sind. Dann beginnt die dreitägige Trauerfeier. In unserem Fall mit einem professionellen - nun, ich nenne ihn mal Moderator und Sänger. Einem Chor. Und weit mehr als 100 Stühlen, die im Garten aufgestellt wurden. Dennoch, so konnten wir im Vorbeigehen sehen, reichten die nicht aus.

In den drei Tagen wird ausdauernd gesungen, was wir dank der Lautsprecheranlage gut hören konnten, außerdem viel geweint und von jedem, der es will, ein Loblied auf die Verstorbene verkündet (beides für uns nicht hörbar, aber so üblich). Am dritten Tag dann wird die Tote aus dem Krankenhaus geholt, im Haus kann dann jeder noch einmal Abschied nehmen, bevor sie dann in einem großen Konvoi (in diesem Fall mit Autos) zum Friedhof gebracht wird. Dann verstreut sich die Verwandtschaft wieder in alle Himmelsrichtungen. Ich habe aus verlässlichen Quellen gehört, dass es vor allem im ländlichen Raum gar nicht selten sei, dass solche Trauerfeiern infolge des zuweilen reichlichen Alkoholgenusses weitere Todesfälle zur Folge haben. Was logischerweise dann eine weitere Trauerfeier nach sich zieht.

Ziemlich kompliziert ist es hier offensichtlich, eine Frau fürs Leben zu finden. Das heißt, das finden ist ähnlich leicht oder schwer wie bei uns. Das bekommen ist komplizierter. Denn hier heiratet der Mann die Frau. Das heißt, er muss sie sozusagen von den Eltern zugesprochen bekommen. Im Normalfall (bei Christen) läuft das so ab, dass die beiden, wenn sie sich sicher sind, dass sie heiraten wollen, einen Termin bei den Brauteltern machen. Denn nur der potenzielle Bräutigam wird vorgestellt, temporäre Lebensabschnittsbegleiter spielen hier keine Rolle.

Mein Mensch hatte die Ehre, bei so einer Vorstellung dabei zu sein. Deshalb habe ich meine Informationen aus erster Hand. Schick anziehen versteht sich von selbst, am besten, man nimmt noch ein paar Geschwister oder gute Freunde mit, damit sich die Brauteltern ein Bild davon machen können, dass man auch einen guten Umgang hat. Dann kommt man zum Treffpunkt, im Normalfall die Wohnstätte der Eltern. Pünktlichkeit ist so bedeutend dabei nicht, dazu hat man hier ein anderes Verhältnis.

Egal, welcher Religion sie angehören - Tansanier mögen mich
Auf jeden Fall gab es in dem konkreten Fall erst einmal die Begrüßung durch den Bruder, Stück für Stück kamen dann weitere Familienmitglieder in die gute Stube und alle versicherten sich gegenseitig, wie groß die Freude ist, Gast oder Gastgeber zu sein. Immer wieder. Dann kam "Mzee" - der Alte. Das ist hier eine Anrede, die höchste Ehre beinhaltet, denn alte Menschen werden hier in hohem Maße respektiert. Man kann aber auch Baba sagen, was - unschwer zu erkennen - unserem Papa entspricht. So sind meine Menschen hier Baba Maja und Mama Maja, warum Jungs bei diesen Namensbildungen keine Rolle spielen, konnte mir noch keiner erklären.

Auf jeden Fall kam der Baba, der erst einmal Bruder und Cousin des möglicherweise künftigen Schwiegersohns aushorchte. Auch Thomas wurde mit ein paar Fragen bedacht, dann kam Mama und schließlich die potenzielle Braut selbst. Es wurden Getränke gereicht, dann folgte der offizielle Akt. Sie stellte ihrem Geliebten jedes Familienmitglied noch einmal vor und umgekehrt. Einmal mehr wurde er von jedem Willkommen geheißen, dann wurden Hände geschüttelt - und dann gab es Essen. Ja, das war's. Hätte aber auch böse ausgehen können. Es passiert nämlich immer wieder, dass die Eltern mit der Wahl ihrer Tochter nicht einverstanden sind. Dann kann sie sich von ihm trennen - oder von ihrer Familie. Letzteres macht hier kaum jemand.

Kommt es dann zur Hochzeit (ich hoffe, wir erleben noch eine mit), dann bin ich nicht nur auf die ganze Zeremonie gespannt sondern vor allem auf eins: Die Ziege. Zumindest war bei dem der offiziellen Familienaufnahme folgenden angeregten Geplauder zu erfahren, dass bei der Hochzeit des Bruders anstelle der Hochzeitstorte eine Ziege in den Saal gebracht wurde. Cross gebraten. Bis auf den Kopf. Der war noch original und hatte frisches Gras im Maul. Das will ich echt mal sehen.

So, hab euch heute genug mit vielen Buchstaben gequält. Bis bald mal wieder, euer Pooh

Dusche à la Afrika
Der kluge Bär scheut das Risiko
P.S.: Eins kann ich euch nicht vorenthalten. Meine Menschen sind echt mutig. Oder lebensmüde, wie man es sieht. Denn die benutzen tatsächlich die Dusche, die ihr hier auf dem Bild sehen könnt. Ja, da wird oben im Duschkopf mit Strom das Wasser heiß gemacht. MIT STROM! WASSER! Ich kann euch sagen, ich bin ja sowas von froh, dass ich immer im Waschbecken baden darf.

2 Kommentare:

  1. Der nackte Wahnsinn ihr müsstet hier sein selbst der Teufel kommt ab und zu vorbei... (Zitat DTH)

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  2. Nice to see Pooh taking some time to relax and enjoy himself! Was truly wonderful to meet the both of you! We are now in Tanzania so it made us think of you! Wish we could read in German but the pictures have been lovely to see! Perhaps our paths shall cross again in our future travels. We certainly are fascinated by Togo after our conversations! Best wishes and happy travels to you both!
    Emily & Tim (Musanze, Rwanda)

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