Samstag, 24. Mai 2014

Maasai, Askari, Freund - Zu Gast bei Kisioki

Wir besuchten unseren Freund Kisioki in seiner Boma, die zum Dorf Tinga Tinga gehört. Im Hintergrund der Mt. Meru.
Wie die Zeit vergeht. Heute vor einem halben Jahr sind wir in Tansania angekommen. Um zu bleiben. Für wie lange? Die Frage stellen wir uns nicht wirklich. Auf jeden Fall für einige Jahre. Unglaublich, dass es fast 25 Jahre nach dem Fall der Mauer gedauert hat, bis ich für mich so richtig realisiert habe, was Freiheit bedeutet. Nicht nur, zu reisen, wohin man will. Nein, auch zu leben, wo man will. Und vor allem zu gehen, wann man will. Nicht gefesselt zu sein an einen Job, der immer mehr zur Qual wird wegen Chefs, die einem das Leben immer schwerer machen. Das galt für Deutschland Ende November 2013, und das gilt vielleicht auch eines Tages für Tansania. Aber es erschreckt mich nicht. Ich glaube, ich bin jetzt erst wirklich zum Weltbürger geworden. Meine Heimat ist Arnstadt. Aber zuhause bin ich dort, wo Heike ist. 


Kisioki in der Lodge
Zum Glück sind ihre Vorstellungen von einem angenehmen Leben den meinen sehr ähnlich. Denn ehrlich gesagt, es würde mir sehr schwer fallen, mit ihr dort zu wohnen, wo wir heute waren. Nämlich bei den Maasai in Tinga Tinga. Das ist ein in viele Ansiedlungen (Boma genannt) zersplittertes traditionelles Maasai-Dorf im Westen des Kilimanjaro, nicht weit entfernt vom Maasai Cultural Village Olpopongi, wo wir vor knapp zwei Jahren waren. Diesmal war unser Ziel aber nicht ein Touristen-Objekt, sondern eine richtige Maasai-Familie. Die von Kisioki. Der ist Askari (Wächter) in der Kaliwa Lodge. Und inzwischen ein guter Freund. Wir haben ihn sehr ins Herz geschlossen, und er uns glaube ich auch. 

Was war er aufgeregt, als wir ihm sagten, dass wir ihn zu Beginn seiner freien Tage in sein Dorf fahren würden. Er hatte einiges an Früchten, Mais und ein Huhn mitzunehmen, also ersparten wir ihm die mühselige und zeitraubende Fahrt mit dem Dalla Dalla und setzten uns mit unserem Koch Symplis ins Auto. Der war zum einen genauso neugierig wie wir auf die Heimat Kisiokis, zum anderen ist mein Swahili noch lange nicht gut genug, um einigermaßen sinnvolle Gespräche führen zu können. Und Symplis spricht sehr gut Englisch.

Im Gemeinschaftsraum mit seiner Familie
Ein paar Worte zu Kisioki. Er ist knapp 2 Meter groß, schlank, kräftig - ein Bilderbuch-Maasai. Ohne sein Messer sieht man ihn nie herumlaufen, selbst zur Anzughose trägt er das. Er kann nur sehr eingeschränkt mit Zahlen umgehen und nicht schreiben. Vor ein paar Tagen haben wir ihn gefragt, wann er Geburtstag hat. "Weiß nicht", war die Antwort. Selbst das Geburtsjahr ist ihm unbekannt. Er habe seine Mama einmal gefragt, wann er geboren sei. Sie wusste es aber auch nicht. Einen Ausweis hat er nicht. Also haben wir kurzerhand den 20. Mai zu seinem Geburtstag erklärt und mit einem Kuchen gefeiert. Er war total gerührt.

Kisioki hat eine Frau und drei Kinder. Wie alt? Fragt nicht. In Kürze kommt Familienzuwachs. Nein, kein Baby. Er will eine zweite Frau heiraten. Deren Vater hält ihn für einen guten Mann, also bot er ihm an, seine Tochter zu heiraten. Kostet auch nur acht Rinder, ein Schnäppchen, wenn man denkt, dass durchaus auch bis zu 30 Rinder für eine Frau bezahlt werden. Die Hochzeitsvorbereitungen laufen. Schnaps (aus Aloe-Vera-Wurzeln) ist schon angesetzt. 

Dieser Teil der Boma wird von Kisiokis Familie bewohnt
Nach gut anderthalb Stunden Fahrt über zuletzt holprige Piste sind wir da. Die Familie kommt zum Eingang der von Dornengestrüpp umgebenen Boma. Wir werden herzlich begrüßt und ins Innere geführt. Eine der aus Erde, Kuhdung und Wasser gebauten Hütten dient als Gemeinschaftshaus. Dort bekommen wir Tee mit Milch und Zucker, während Kisioki Bonbons an die zahlreichen zur Großfamilie gehörenden Kinder verteilt. Dann holt er seine Mama, Frau und Kinder und freut sich über das Gruppenbild, das ich mache. Ob er später einen Ausdruck bekommen kann? Na klar. 

Im Inneren einer der Hütten
Nach dem Tee schauen wir uns außen ein wenig um, bekommen den Innenring der Ansiedlung gezeigt, in dem für Jungrinder, ausgewachsene Rinder und Ziegen extra Bereiche für die Nacht abgeteilt sind. Dann sehen wir die Wohnhäuser von innen, erst das der Mama, dann das von Kisiokis Frau. Das heißt, wir sehen eigentlich nichts. Ein bisschen Glut vom Feuer, spärliches Licht, dass durch winzige Öffnungen dringt. Nach dem grellen Sonnenschein draußen sind wir zunächst wie blind. Ich mache ein paar Bilder und bin überrascht, dass sie auch was werden. 

Kisiokis Mama
Es riecht nach Rauch, durch einen kleinen Durchschlupf ist der Hauptraum vom Bett getrennt, dass quasie komplett den Nebenraum einnimmt. Auf jeden Fall ist sowohl der ständige Helligkeits-Wechsel ebensowenig gut für die Augen wie der Rauch von der Feuerstelle. Und draußen treibt Wind den feinen Staub vor sich her. Kein Wunder, dass die meisten hier Probleme mit den Augen haben. Es ist ein hartes Leben. Und so ist Kisiokis erste Frau auch froh, dass sie mit der zweiten Hilfe zur Seite bekommen wird. Zuerst muss die neue mit Unterstützung der anderen Frauen ihr Haus bauen, in dem sie leben wird. Die meiste Zeit alleine, denn Kisioki ist ja bis auf vier Tage im Monat und einen Monat Urlaub im Jahr immer in der Lodge, 75 km entfernt.

Milch für uns - eine Ehre
Wieder draußen sind wir von Kindern umringt. Kaum, dass man ein Foto machen kann, da wollen sie es schon auf dem Display sehen. Was für ein Gewusel. Es sind nur ein paar Kilometer bis zur nächsten Stadt. Und doch ist das hier eine andere Welt, in der Kinder sogar ihr Spiegelbild in der Stoßstange unseres Autos bewundern. Es geht zurück in den Gemeinschaftsraum, wo wir dicke Milch (oder auch Joghurt) zu trinken bekommen. Schmeckt merkwürdig, ist aber trinkbar. Kisiokis Bruder erklärt uns, dass Maasai Milch nur mit Menschen teilen, die man respektiert und achtet. Tee bekommt hingegen jeder. Diesmal ist es an uns, gerührt zu sein.Wir trinken dennoch nicht aus, haben ein bisschen Angst, ob unser Magen das verträgt.

Heike und der Schnaps
Wenig später betreten drei weitere Männer das Zimmer. Wir rücken zusammen, und sie stellen einen Kanister auf den Tisch. Früher hat er mal Speiseöl beinhaltet. Heute sind noch wenige Zentimeter einer Flüssigkeit darin. Bei der Begrüßung riechen wir schon, dass es sich wohl um etwas hochprozentiges handelt. Der eine der Hinzugekommen lallt auch schon kräftig. Er ist Lehrer, werden wir aufgeklärt. Sein Nachbar feiert heute, als er sah, dass in der Nachbar-Boma Besuch sei, war er neugierig und wollte mal auf einen Schluck vorbeikommen. Eine Tasse wird gefüllt, eine fast klare, leicht whiskyfarbene Flüssigkeit, die auch ein bisschen wie ein Whisky riecht. Heike ist die erste, probiert - und nimmt gleich noch einen zweiten Schluck. Dann bin ich dran. Tatsächlich, schmeckt zumindest deutlich besser als Bananenbier, dieses Aloe-Vera-Gebräu. Aber ich muss fahren, also bin ich vorsichtig. 

Dann ist die Zeit auch schon wieder gekommen, Abschied zu nehmen. Es war sicher nicht unser letzter Besuch hier. Das nächste Mal wollen wir einen Fußball für die Kinder mitnehmen. Und viel mehr erfahren über ein Leben, dass ich mir selbst in Begleitung von Heike nun wirklich nicht vorstellen könnte.

Immer waren wir umringt von den Kindern, die ganz wild darauf sind, sich fotografieren zu lassen und sich anschließend auf dem Kamerabildschirm zu bestaunen. Sie fanden es auch großartig, sich in der Stoßstange unseres Autos zu spiegeln.




























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