Montag, 30. Juni 2014

Heiraten mal anders


Kisioki (links) hält das Köfferchen mit dem kompletten Hab und Gut seiner künftigen zweiten Frau (3.v.l.)

Ist das Leben bei den Maasai an sich schon ein völlig anderes, so trifft das erst recht für die Feiern zu. Nehmen wir die Hochzeit unseres Askari (Wächter) Kisioki. Der hat schon eine Frau und mit ihr drei Kinder. Nun hatte ihn ein Vater aus einem Dorf nicht weit entfernt gefragt, ob er nicht seine Tochter heiraten wolle. Er halte ihn, so der Brautvater zur Begründung, für einen anständigen Mann. Kisioki überlegt nicht allzu lange, zumal die Mitgift mit acht Rindern nicht allzu hoch war, und willigte ein. Schließlich war er ja auch im Vergleich zu den meisten anderen Maasai, die mehr Frauen haben, bisher deutlich im Hintertreffen.

Als er uns im Mai zur Hochzeit einlud, waren wir sehr erfreut. Der Termin verschob sich dann mal zu mal, und als wir schon glaubten, es werde wohl nichts mehr mit der Feier, hieß es: Kommt übermorgen, sprich am 30. Juni, in meine Boma. Aber nicht später als 8 Uhr morgens, wenn es geht. Selbstverständlich erwarteten wir den heutigen Tag voller Ungeduld, so eine Einladung erhält man nicht alle Tage. Wenngleich wir erst kürzlich Gast einer Hochzeit waren, aber eben nicht bei Maasai. Um es vorwegzunehmen – es war alles ganz anders als erwartet, aber wir wurden nicht enttäuscht

Tanzend und singend wird die Braut in die Boma geleitet
Mit unserem Koch Simplis und Zimmermädchen Magda machten wir uns pünktlich morgens auf in das etwa 75 Kilometer entfernte Tinga Tinga. Kurz vor acht waren wir da, und kaum waren wir aus dem Auto ausgestiegen, kam auch schon in anderes Auto und brachte die Braut. Eine offensichtlich junge Frau, 15 Jahre, wie wir später erfuhren, deren Gesicht wegen einer Unmenge an Schmuck nicht zu erkennen war. Während die Männer sich in der Boma – also der Ansammlung von Hütten innerhalb des äußeren Dornenkreises – versammelten und sich relativ unbeteiligt unterhielten, umringten die Frauen draußen die Braut und führten sie ganz langsam mit Gesängen und tanzenden Bewegungen nach drinnen, auf das Haus der Schwiegermutter zu.

Traurigkeit ist nur für die Braut Pflicht, die anderen feiern
Wir natürlich mittendrin, war schon bewegend. Die Braut, so hatten wir uns vorher erkundigt, muss den ganzen Tag traurig sein, weil sie ja ihre Familie verlässt, selbst wenn sie sich darüber freuen sollte. Letzteres kann ich mir aber nicht vorstellen, weil es ja ein großer Schritt ins Ungewisse ist, den sie unternimmt. Sorge, dass die Familie sie nicht gut aufnimmt, muss sie sich keine machen. Jede helfende Hand ist willkommen, bei den Maasai sind es schließlich die Frauen, die die ganze Arbeit innerhalb der Boma erledigen müssen.

Und hinein zur Schwiegermutter
Das geht hin bis zum Bau des Hauses, in dem die Frau dann wohnt. Zunächst ist sie bei der Schwiegermutter zu Gast, bis sie mit Hilfe der anderen Frauen ihre eigene Hütte fertiggestellt hat. Immerhin stand schon ein Teil der Wände, es sollte also nicht mehr allzu lange dauern. Jede Maasai-Frau hat ein eigenes Haus, der Mann wechselt seine Schlafgelegenheit und sollte dabei, so verlangt es die Tradition, keine Frau bevorzugen.

Eingang zum Schlafraum
Mit langsamen Schritten näherte sich der Frauentross der Hütte und betrat sie, ich durfte ausnahmsweise mit hinein, um ein paar Bilder zu machen. Die Männer hatten derweilen die Ankunft der Braut an ihrem Ziel zum Anlass genommen, dem Pombe zuzusprechen, eigentlich ein selbstgebrautes Aloe-Vera-Bier, das es aber mit genügend Geduld auf genügend Prozente bringt, um schnell zu Kopf zu steigen. Wir waren zum Glück vorgewarnt und machten zunächst einen Bogen darum, gespannt auf die Dinge, die da noch kommen.

Was die Hochzeit angeht, so erfuhren wir wenig später, war nicht mehr viel zu erwarten. Um nicht zu sagen nichts mehr. Keine Trauung mit einem Priester, zum Beispiel, obwohl die Maasai überwiegend Christen sind. „Dann dürfte ich ja nicht mehrere Frauen heiraten“, begründet Kisioki, warum es keine offizielle Zeremonie gibt. Auch kein Tanz mit der Braut, denn die hat ja traurig zu sein und wäre an diesem Tag gar nicht mehr aus der Hütte gekommen, wenn wir nicht noch ein paar Geschenke für das Hochzeitspaar übergeben und sich nicht dafür alle zum Gruppenbild positioniert hätten.

Wahlessen - wir wählten Ziege
Traditionelle Schafweihe
Für uns bestand die nächste Aufgabe darin, unser Mittagessen auszusuchen. Schaf oder Ziege standen zur Wahl, in großer Anzahl. Wir vermieden es, das Todesurteil direkt auszusprechen und uns einen Kandidaten auszusuchen, wir entschieden uns einfach für Ziege. Danach wurden fünf Ziegen und drei Schafe nach draußen gebracht. Die Ziegen verschwanden mit einigen Maasai in einem Wäldchen, die Schafe wurden sogleich wieder in das Dorf geführt, wobei ihr Kopf mit Milch übergossen wurde. Dann nahmen sich jeweils zwei Maasai eines Schafes an und erstickten es mit bloßen Händen. Was soll ich sagen – martialisch anzusehen, aber es ging erstaunlich schnell.

Geschickt wird das Schaf "geschält"
Fast ebenso flink waren die Männer dabei, den Tieren die Haut abzuziehen, ein erstaunlich unblutige Sache. Wir nutzten die Chance, uns aus dem Staub zu machen und die Zerteilung zu überspringen, indem wir mit Sikiriba, unserem anderen Askari, in seine nicht weit entfernte Boma fuhren. Dort kamen zunächst seine Kinder und die der Nachbarn und wer auch immer uns sehen wollte, wir bekamen den traditionellen Tee und saßen ein bisschen in der prallen Sonne herum. Sikiriba hat über 30 Geschwister, von denen viele in der Boma zusammen leben. Entsprechend groß ist der äußere wie auch der innere Dornenkreis, in letzterem hätte man Fußball spielen können.

Wir staunten schon sehr, als Sikiriba erzählte, dass seine Familie etwa 1000 Rinder besitzt. Das ist ein Wert von weit über 300.000 Euro. Und das ist auch in Deutschland ein Haufen Geld. Aber die Maasai sehen das nicht so, sie handeln Rinder nur untereinander. Wer etwas auf Tradition hält, und das sind die meisten, der sieht die Rinder als Nahrungsreserve und nicht als Geldanlage. Das wird übrigens mehr und mehr zum Problem, denn die Herden wachsen unaufhaltsam und die Weidegründe reichen in einigen Gegenden schon nicht mehr aus. Was bedeutet, dass der Druck auf die Nationalparks und Schutzgebiete wächst.

Wind einkalkuliert
Sikiriba beim Zerteilen
Aber zurück zur Hochzeit. Im wörtlichen Sinne. Denn wieder bei Kisioki führte er uns ins Wäldchen, wo das Ziegenfleisch schon über dem Feuer geröstet war und nur darauf wartete, verzehrt zu werden. Es war wirklich lecker und ein besonderes Gefühl, so im Kreis hockend eine Mahlzeit einzunehmen. Nun waren Heike und Magda die Ausnahmen, normalerweise haben Frauen draußen beim Männeressen nichts zu suchen. Madga fand auch sogleich einen Verehrer, der sie gerne als dritte Frau zu sich genommen hätte. Ihr Ehemann solle sich nicht so haben, sie hätte es bei ihm viel besser. Nun, das wagen nicht nur wir zu bezweifeln, die schon Magdas Haus gesehen und den direkten Vergleich zu der Maasai-Behausung hatten, die uns der stolze Krieger kurz darauf zeigte. Magda war zumindest  froh, sich dann wieder unter die Frauen mischen zu dürfen. Heike blieb von solchen Avancen verschont, bestimmt nur, weil ich mit dabei war – denn wer würde sie nicht zu seiner Frau haben wollen…

Es schmeckt auch nicht jedem Maasai
Pombe-Pott mit Nachspülern
Die Mittagssonne und Pombe hatten bei einigen der  Herren schon schnell einen durchschlagenden Erfolg erzielt.  Logisch, hatten sie doch 3- und 5-Liter-Kanisterchen mit dem gar nicht so übel schmeckenden Getränk gefüllt – und zu Teil schon zu dieser Zeit gut geleert. Selbstverständlich kamen auch wir nach dem Essen nicht herum, dem Alkohol zuzusprechen. Wir bekamen einen großen Pott, mussten ihn aber zum Glück nicht austrinken. Da wir erfuhren, dass auch am Nachmittag keine weiteren Zeremonien anstanden, nutzten wir die Mittagsruhe, um uns aus dem Staub zu machen.

Wieder mal ein Erlebnis, das wir wohl nie vergessen werden.

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