Samstag, 4. August 2012

Der alltägliche Wahnsinn

Ziegen, die auf dem Bahnhof in Moshi grasen
Nachdem ich nun schon die Wirrungen bei der Jagd nach dem Fahrzeugscheins unseres Autos beschrieben habe, ist es höchste Zeit, auch mal etwas darüber zu schreiben, wie man hier so durchs Land kommt. Da ist zum einen die Feststellung, dass es zwar eine Bahnstrecke "vor unserer Haustür" gibt, die von Dar es Salaam über Moshi bis Arusha und sogar weiter nach Kenia führt. Die Gleise, holprige Bahnübergänge und zu Weiden verkommene Bahnhöfe sind aber das einzige, was daran erinnert, dass hier mal Züge fuhren.

Dann gibt es ein gar nicht mal so schlecht ausgebautes, aber auch recht preisintensives Inland-Flugsystem. Für Ausländer sind da für die kürzeren Verbindungen von bis zu 300 Kilometern schnell mal 150 Dollar für eine Strecke fällig. Einheimische kostet das ungefähr ein Drittel – im Normalfall weit jenseits aller finanziellen Möglichkeiten. So werden die Inlandsflieger hauptsächlich von Ausländern mit einem Resident-Visum genutzt, die damit wirklich schnell und preiswert durch das Land kommen.

Autofahren ist nicht nur wegen der Löwen gefährlich
Begüterte Einheimische leisten sich den Luxus eines privaten Autos. Das ist an sich gar nicht so teuer, wenn man es auf Deutschland überträgt. Für unseren Pajero werden im Jahr etwa 135 Euro für Steuer und Versicherung fällig. Nun ist das für hiesige Verhältnisse aber schon ein ordentlicher Haufen Geld, wenn man bedenkt, dass hier Monatsverdienste für geregelte Arbeit ungefähr bei 40 Euro anfangen. Schaut man dann aber noch, dass für Diesel und Benzin pro Liter mehr als ein Euro hinzulegen sind, dann versteht man, warum zwischen den Städten meist nur Busse und Lkw, Safari-Jeeps und ein paar Individualfahrzeuge unterwegs sind. Das muss man sich mal vorstellen – ein Monatsverdienst, der nicht einmal für eine Tankfüllung reicht! Das verhindert nicht, dass es zum Beispiel in Arusha jeden Tag fette Staus gibt. In den Städten ist da schon mehr los.

Überlandbusse sind schnell
An den Linksverkehr gewöhnt man sich schnell, überraschender ist immer wieder, dass man außerorts auch mal von Lkw oder Bussen bedrängt und überholt wird. Manchmal stehen in jedem Ort Polizisten, immer mal wieder auch mit Laserpistolen. Oft holen sie sich die Lkw und Busse raus, warum auch immer. Wir mussten mal den Führerschein zeigen, ein anderes Mal wurden die Straßenlizenz, der Feuerlöscher und die beiden Warndreiecke kontrolliert. Einmal musste ich 15 Euro für zu schnelles Fahren bezahlen. Was in dem Fall stimmte. Man hört aber auch immer wieder von falschen Anschuldigungen mit alten Daten. Zumindest waren die Polizisten bisher immer freundlich. Einmal mussten wir zwei ein Stück mitnehmen, die Polizei hat hier das Recht, in jedem Auto mitzufahren. Viele Einheimische wissen das gar nicht, weil es sie nicht betrifft. Denn einfach so durch das Land zu reisen, wie es zum Beispiel in Europa üblich ist, das macht man hier mit dem Auto nicht.

Mit diesem Bus kamen wir heil von Dar nach Moshi
Dafür gibt es Busse. Und ihre kleinen Brüder, die man hier Dalla-Dalla nennt. Bei den Bussen unterscheidet man solche für die langen Überlandverbindungen, die vor zehn oder 15 Jahren mal modern waren, aber immer noch ihre Dienste tun. Die sichersten Unternehmen für Fahrten von Dar es Salaam nach Moshi sind derzeit Kilimanjaro Express und Dar Express. Es gibt aber auch viele kleinere Anbieter. Die sieht man dann immer mal beim Reifenwechsel unterwegs oder auch umgekippt am Straßenrand. Was nicht heißt, dass das bei den „Großen“ nicht auch mal passiert. Aber eben seltener. Zudem haben wir den Eindruck, dass die Busfahrer der „guten“ Anbieter nicht ganz solche Kamikaze-Piloten sind wie die anderen. Ist schon krass, wenn an einer Bergkuppe plötzlich ein riesiger Bus wenige Meter vor Dir auf Deiner Seite auftaucht, weil er gerade einen Lkw überholt.

Die Busse fahren bei Straßenschäden auch mal länger rechts
Der große Vorteil der langen Linien ist der, dass nur so viele Tickets verkauft werden dürfen, wir der Bus Sitze hat. Das ist bei Fahrten von acht bis zehn Stunden schon ganz angenehm. Das heißt zwar nicht, dass sich das Buspersonal noch ein paar Schilling dazu verdient, indem es unterwegs immer mal wieder ein paar Leute für kurze Abschnitte mitnimmt. Aber die stehen einem wenigstens nicht auf den Füßen oder hängen einem ausladende Vorbauten ins Gesicht. Ein weiterer Vorteil – diese Busse haben wenigstens einen Fahrplan, der sogar weitgehend eingehalten wird.

Gute Wünsche - etwas gealtert
Damit sind wir schon bei den Bussen für die kürzeren Verbindungen. Das sind meist Fahrzeuge mit um die 30 Sitzplätzen (inklusive der Notsitze im Gang). Die stehen in den Städten an den Busbahnhöfen und warten auf Fahrgäste. Das sieht so aus, dass jeder, der in die Nähe kommt, nach seinem Ziel gefragt und bei Übereinstimmung in den Bus delegiert wird. Wenn er sich nicht wehrt. Kommt mal kein potenzielles Opfer, brüllen die Werber, meist drei bis fünf Leute, lautstark das Ziel des Busses und schlagen an seine Karosse, das man glaubt, sie wollen den vielen Beulen noch ein paar hinzufügen.

Am Anfang ist es noch leer
Als wir von Moshi nach Arusha gefahren sind, waren vor uns etwa 10 Leute im Bus. Immer mal wieder stieg einer aus und in einen anderen Bus ein, der dann früher losfuhr. Eine Dreiviertelstunde dauerte es, bis der letzte Platz besetzt war, die Werber einstiegen und der Bus sich in Bewegung setzte. Noch vor der Ausfahrt aus dem Busbahnhof kamen drei weitere Fahrgäste hinzu, die sich im Einstiegsbereich drängelten. Insgesamt luden wir in den folgenden Minuten noch acht Frauen und Männer ein. Wir hatten uns wegen der größeren Beinfreiheit und der Sicht nach vorne gesetzt, was sich als Fehler herausstellte. Wir hatten nämlich weder Beinfreiheit noch konnten wir auch nur das kleinste bisschen nach vorne sehen.

Kuscheln ist im Bus angesagt
Nach einer halben Stunde drehte sich einer der Stehenden zu den Fahrgästen und pries laut brüllend Aloe-Vera-Creme, Zahnbürsten und Seife an. Er verkaufte sogar was. Dann drehte sich der nächste und forderte laut brüllend das Fahrgeld. 1,25 Euro waren für die 80 Kilometer fällig. Na ja – nach knapp zwei Stunden hatten wir die Tort(o)ur überstanden. Auf der Rückfahrt gab es dann die gleiche Prozedur mit geringen Unterschieden. Hier saßen wir weiter hinten, was in Sachen Beinfreiheit wenig brachte. Dafür drängelten sich in den mit vier Plätzen inklusive Klappsitz bestückten Reihen jeweils fünf Fahrgäste – nicht die schmalsten, muss dazu gesagt werden. Insgesamt waren in dem für 28 Personen ausgewiesenen Bus 43 Fahrgäste und der Busfahrer. Diesmal gab es im Angebot auch Karotten-Hautcreme, die immerhin vier Abnehmer fand. Nun – wir haben es überlebt. Und uns gesagt, dass wir Strecken von mehreren hundert Kilometern so nicht zurücklegen wollen. Eigentlich auch keine kürzeren.

Unfälle wie diesen sieht man unterwegs immer mal wieder
Für die Kurzstrecken, durchaus aber auch für Mehr-Stunden-Torturen, nimmt man hier ein Dalla-Dalla (auch Dalladalla, Daladala oder Dala-Dala geschrieben). Das sind Kleinbusse, die auf festgelegten Strecken unterwegs sind, ebenso wie die großen warten, bis sie voll sind, dann aber auch unterwegs noch jeden mitnehmen, der irgendwie reinpasst. Und wenn nicht rein, dann bleibt halt die Tür offen und es hängen zwei, drei Fahrgäste draußen dran. Wir haben auch schon einen gesehen, da standen drei Leute hinten auf der Stoßstange. Dazu wird in, an und auf den Dalla-Dallas alles transportiert, was passt. Sprich Säcke, Kanister, Hühner, Ziegen, Taschen, Koffer… Ist schon krass. Die Fahrt kostet in der Stadt ab 10 Cent, außerhalb für Strecken bis 25 Kilometer um die 50 Cent. Blöderweise stelle ich gerade fest, noch keins dieser Gefährte fotografiert zu haben :-(

Das Problem ist, dass die völlig überladenen Kleinbusse häufig Pannen und gar nicht so selten auch Unfälle haben. Zwei Gäste hier im Rose Home, Eva und Michael (liebe Grüße), haben solch einen Unfall direkt vor ihren Augen erlebt. Während ihrer Versuche, die Leute aus dem Bus zu holen, wurde Eva aus der Tasche noch die Uhr geklaut. Das ist ein Grund, warum hier viele nicht helfen. Traurig, aber nachvollziehbar. Zumal bei blutigen Unfällen ja auch noch die Aids-Gefahr nicht zu vernachlässigen ist.

Staub auf einer Überlandpiste
Staub aber auch in der Stadt
Was die Straßen angeht, auf denen sich das alltägliche Chaos abspielt, so verdienen sie den Namen meist nicht. Von knapp 90.000 Straßenkilometern in Tansania sind nur um die 4000 befestigt. Der Rest sind mehr oder weniger holprige Pisten, die in der großen Regenzeit zuweilen nur sehr eingeschränkt oder gar nicht passierbar sein können. Reifenschäden sind hier die häufigsten Probleme, gleich gefolgt von allem, was Dämpfung und Federung angeht. Öl und Sprit sind nicht sehr sauber, so dass alle 3500 Kilometer Filterwechsel nötig werden. Dazu kommt der Staub, den man hier aufwirbelt und der die Luftfilter (und die Lungen derer am Straßenrand) verstopft. Unterwegs sein ist hier also kein uneingeschränktes Vergnügen. Aber man kommt rum und hat was zu erzählen.

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