Samstag, 1. September 2012

Abenteuer Ruanda - Unbeschreiblich schön

Der Besuch bei den Berggorillas gehörte zum Beeindruckendsten, was wir je erlebt haben

Wie beschreibt man etwas Unbeschreibliches? Was für Worte benutzt man für etwas, das einen sprachlos macht? Und womit erklärt man Gefühle, die man selbst unerklärlich findet? Okay, ich höre jetzt schon den einen oder anderen sagen: Lass es einfach! Aber ich will es trotzdem versuchen, euch die Faszination nahezubringen, die uns beim Anblick der beeindruckendsten Geschöpfe ergriffen hat, die wir je gesehen haben - der Berggorillas. 

Am Eingang des Nationalparks
Gestattet mir zuerst ein paar einführende Sätze. Knapp 800 - und damit alle weltweit vorkommenden - Berggorillas leben in den Bergwäldern im Dreiländereck Ruanda, Uganda und Demokratische Republik Kongo in Höhen zwischen 2000 und 4000 Metern. Die meisten halten sich an den Hängen der Virunga-Vulkane auf. Auch wenn es sich bei ihnen um die einzige Gorilla-Unterart mit wachsendem Bestand handelt, sind Berggorillas die am stärksten vom Aussterben bedrohten Affen weltweit.

Die Silberrücken bringen durchschnittlich 150 bis 160 Kilo auf die Waage, der schwerste in Ruanda lebende Gorilla schafft 200 Kilogramm. Bis zu 2 Meter können sie groß werden, haben eine Armspannweite von durchschnittlich 2,25 Metern und einen Brustumfang von 1,50 Metern. Beachtliche Tiere also, und man fragt sich in der Tat, ob man sich einem solchen Riesen tatsächlich ohne schütztende Gitter oder reichlich Abstand nähern möchte.

Trommelshow zum Munterwerden - es war ja noch vor 7 Uhr
Aktuell leben in Ruanda 18 Gorilla-Familien, von denen sieben für Besucher und ein paar andere für Wissenschaftler freigegeben sind. Die größte Gemeinschaft, die Susa-Gruppe, ist gegenwärtig zu weit entfernt, um sie besuchen zu können. Sie soll mindestens 35 Tiere zählen, darunter mehrere Silberrücken. Die Besucherzahlen pro Gruppe sind limitiert, in Ruanda dürfen pro Tag acht Besucher zu einer Gruppe. Gemeinsam mit den anderen Gruppen in Uganda und DR Kongo sind es also nur höchstens 88 Menschen, die pro Tag diese unvergleichliche Erfahrung machen dürfen. Und wir gehörten am 1. September dazu.

Schwungvoll wurden wir auf den Weg geschickt
Nachdem wir tatsächlich am Morgen um 6 Uhr doch noch unsere Permits bekommen hatten, stand auch pünktlich kurz darauf das Auto mit zwei anderen Touristen vor der Tür, dem wir zum Nationalpark folgen sollten. Eine knappe halbe Stunde dauerte die Fahrt zum Besucherzentrum, wo wir unsere Permits gegen zwei kleine weiße Zettelchen getauscht bekamen, die wir wenig später unserem Guide geben sollten. Dazwischen gab es noch ein kleines Unterhaltungsprogramm mit Musik, Tanz und Gesang.

Besprechung mit dem Guide
Schmuckvolle Stöcke
Der Fahrer der anderen beiden hatte uns geraten, uns um die Agashya-Familie zu bemühen, weil da recht viele kleine Gorillas dabei seien. Das taten wir dann auch mit Erfolg, es war ein ganz schönes Gedränge um den Familien-Verteiler. Kurz darauf setzten wir uns mit zwei Deutsch-Franzosen, einem US-Amerikaner, einer Kanadierin und zwei Engländern in Bewegung, überquerten, selbstverständlich wieder als Selbstfahrer, eine üble Piste, in der unser Pajero erstmalig seine Allrad-Fähigkeiten voll ausspielen konnte, und gelangten schließlich an ein kleines Wäldchen. Dort stellten wir die Autos ab, erhielten Wanderstöcke und auf gings.

Das ist mal ein Regenwurm!
Kontaktaufnahme
Zwei Gruppenmitglieder nahmen die Dienste von Portern an, die aber hauptsächlich damit beschäftigt waren, die beiden Damen später über die glitschigen Passagen zu führen. Heike und ich trugen selbstverständlich unsere Rucksäcke selbst und trotzten auch erfolgreich der Schwerkraft. Will heißen, wir setzten uns nicht auf den Hosenboden. Unser Guide, zudem sich auch eine bewaffnete Rangerin gesellt hatte (es gibt hier Büffel, wie wir an den Haufen sahen), funkte immer mal wieder die Tracker an, die die Aufgabe haben, die Gorillas tagsüber zu begleiten, ihr Nachtquartier aufzuspüren und uns so zu ihnen führen zu können.

Die Gruppe der Gorilla-Tracker und eine Tierärztin
Erklärend dazu muss man sagen, dass nach wie vor die größte Gefahr für die Bergorillas die Wilderer sind. Die haben es nicht in erster Linie auf sie abgesehen, aber sie jagen und stellen Fallen dort, wo Gorillas sich aufhalten. Das zu verhindern ist eine Aufgabe der Tracker. Auch die Touristen sorgen somit für die Sicherheit der Tiere, da das Risiko der Entdeckung für Wilderer einfach zu groß wird. Andererseits sorgen die Besucher aber auch für Gefahren, Gorillas sind uns nämlich so ähnlich, dass sie auch Krankheiten bekommen, die wir Menschen haben. Durch die Einnahmen von den Besuchern - Ruanda erhöhte erst unlängst den Preis auf 750 Doller (wir haben die Karten noch für den alten von 500 bekommen) - werden aber auch Tierärzte finanziert.

Der Chef vom Ganzen
Nach einer Stunde erträglicher Kraxelei hieß es dann, dass wir noch etwa eine halbe Stunde brauchen werden. Es waren dann sogar nur 20 Minuten über schmale, aber gut begehbare Pfade zwischen Bambusstämmen hindurch, bis wir auf die Tracker stießen. Jetzt hieß es Rucksäcke ablegen (Essen und Trinken dürfen nicht mit zu den Gorillas), Kameras schnappen, Pooh nicht vergessen - und ab ging es. Dann sahen wir etwas. Etwas großes. Silbernes. IHN! Agashya (was soviel heißt wie der Besondere), den uneingeschränkten Chef der Familie, die gegenwärtig 29 Tiere umfasst, darunter neun im Alter bis zu vier Jahren, die noch als Babys gelten, weil sie noch gesäugt werden.

Agashya und der spielfreudige Nachwuchs
Und diesen mächtigen Berggorilla, der 2003 aus dem Nichts auftauchte, die Familie übernahm und noch einige weitere Weibchen mitbrachte, den Silberrücken Agashya, sahen wir nun keine fünf Meter vor uns liegen. Um ihn herum tollten zwei Kleine, lieferten sich beeindruckende Schaukämpfe, während er uns nur kurz musterte, offensichtlich als ungefährlich klassifizierte und sich dann weiter mit der Reinigung der Nasenhöhlen beschäftigte. Will heißen, er popelte ungeniert.

Das war der erste Moment, in dem ich glaubte, dass die Zeit still steht, in dem ich einfach sprachlos war vor dieser Erhabenheit und dieser Ähnlichkeit. Die Mimik, die Bewegungen und immer wieder dieser Blick aus den tief in dem von Lebenserfahrungen durchfurchten Gesicht liegenden Augen. Keine noch so gute Dokumentation kann dieses Gefühl herüberbringen - und selbstverständlich vermögen es auch meine Zeilen nicht. Ich war zutiefst gerührt, begeistert, überglücklich, und Heike ging es ebenso.

Wir konnten Pooh gerade noch bremsen, die Seiten zu wechseln
Weitere Familienmitglieder tauchten auf, selbstverständlich auch ihr entfernter Verwandter Pooh, der auf dem Bild so aussieht, als wolle er mit seinem Leibchen die Zivilisation abstreifen und die Familie wechseln. Er blieb aber bei uns, sicherlich würde ihn bei den Streifzügen der Gorillas niemand mitnehmen. Langsam wechselten die faszinierenden Menschenaffen ihren Platz, gingen mal dichter in den Wald, dann wieder an uns vorbei, manchmal nur einen Meter entfernt. Die Regel, mindestens fünf Meter Abstand zu halten, gilt halt nur für die Menschen.

Schließlich ließ sich Agashya auf einer Lichtung nieder, um sich vom Fressen auszuruhen. Ab und an knurrte er den Nachwuchs an, wenn es der in seinen Schaukämpfen zu toll trieb. Die kleine rollten übermütig Purzelbäume schlagend umher, stürzten sich, wilde Grimassen schneidend, übereinander, als wollten sie sich verschlingen. Ein Weibchen sorgte zwischenzeitlich für Ordnung, schnappte sich einen Knirps zur Körperpflege, und kurz darauf ging die wilde Hatz wieder los. Ein Schauspiel, dass sich tief einbrennt, diese unbeschwerte Spielfreude und doch der behutsame Umgang miteinander.

Mittendrin statt nur dabei - so fühlten wir uns bei den Gorillas
Viel zu schnell verging die Zeit. Wir konnten uns gar nicht satt sehen an den um uns herum flanierenden, kämpfenden und fressenden Familienmitgliedern. Immer wieder brummte (oder grunzte?) der uns begleitende Tracker beruhigend und offensichtlich familiär, so dass wir nie das Gefühl hatten, als Fremdkörper wahrgenommen zu werden. Es war zu köstlich anzuschauen, wie Agashya sich in die Sonne knallte, die Arme schützend gegen das grelle Licht über die Augen legte und seinem Sprösslingen so deutlich machte, dass sie ihn jetzt besser in Ruhe lassen mögen.

Was sie auch taten, genau wie wir. Die Stunde war rasend schnell um, es galt Abschied zu nehmen von diesen Geschöpfen, die uns wie kein anderes bisher zu beeindrucken vermochten. Ja, es war jeden Cent wert - zumindest für uns. Und es ist mir eigentlich auch egal, wie das andere sehen. Sollen sie ihr Geld für neue Elektronik, Autos, Schmuck, Kleider oder sonstwas ausgeben, sollen sie ihre Freude daran haben. Wir sind unendlich dankbar, dass wir an diesem Tag zwei von nur 88 Menschen auf der ganzen Erde sein durften, die das Privileg genossen haben, solchen unbeschreiblich schönen Tieren nahe zu kommen, ja, dass wir uns für eine kurze Zeit als Teil dieser friedlichen Familie fühlen konnten. Ich wünsche mir, dass das Interesse an den Berggorillas nicht abreißt, denn nur dadurch haben sie eine Chance, zu überleben.

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