Freitag, 3. Mai 2013

Zwiespältiges Ghana

Elmina Castle - das älteste von Europäern errichtete Gebäude in Afrika. Von hier wurden tausende Skaven verschifft.

Wir sind wieder in Togo. Ehrlich gesagt ist es das erste Mal, dass wir erleichtert waren, ein Land wieder zu verlassen. Dabei sind wir wirklich nicht zimperlich, auch einem Abenteuer nicht abgeneigt. Und Ghana ist ein schönes Land, das noch viel mehr zu bieten hat außer dem, was wir gesehen haben – eine Küste mit zum Teil traumhaften Stränden, riesige Lagunen, gesäumt von wahren Palmenwäldern. Fischer bis zum Bauch im Wasser oder in meist farbenfrohen Booten, die ihrem Tagwerk nachgehen. Dazu eine reiche, wenn auch blutige Kolonialgeschichte, die vor allem an drei Castles und dutzenden Forts entlang der Küste nachvollziehbar ist. Man fühlt sich sicher, kann beruhigt selbst durch kleine Gassen gehen und nette Menschen treffen, mit denen man leicht in Kontakt kommt, ohne dass sie gleich zu aufdringlich werden. Hilfsbereit sind die Ghanaer, zuvorkommend, angenehme Menschen - bis auf die Uniformierten.


Diese schönen Fischerboote sahen wir in Winneba:
Wir haben von Montag bis Freitag auf 870 Kilometern 37 Polizeikontrollen passiert, sind davon 17 Mal angehalten worden. Durchweg waren die Polizisten unfreundlich bis aggressiv, was womöglich zu einem Teil darauf zurückzuführen ist, dass wir in einem togolesischen Auto unterwegs waren. Man mag die französisch-sprachigen Nachbarn nicht so sehr, haben uns zivile Ghanaer gesagt. Nun – Gastfreundschaft sieht jedenfalls anders aus. Von der Tatsache, dass ein Polizist 30.000 CFA (45 Euro) von mir verlangte (und bekam), um mich wegen eines fehlenden Feuerlöschers nicht zu arrestieren, habe ich ja schon berichtet. Sicher war es ganz klar meine Schuld, mich nicht vorher kundig gemacht, sondern darauf vertraut zu haben, dass das hier so locker gehandhabt wird wie in Togo. Aber die Art und Weise, wie man mir zuletzt sogar zur Last legen wollte, dass meine Sandalen zum Auto fahren nicht geeignet seien, war echt schikanös. Die blanke Willkür. Noch über 200 Kilometer nach der Grenze wurden unsere Papiere und alle mitzuführenden Gegenstände zeitaufwendig überprüft. Als ob wir es ohne perfekte Dokumente jemals so weit geschafft hätten bei diesem flächendeckenden Kontrollnetz. Hier ging es schlicht und einfach um Machtdemonstrationen. Und wir haben inzwischen genug Länder hier bereist; um sagen zu können: Das ist nicht Afrika.

Mit dem Auto nach Ghana zu wollen ist nicht so einfach.
Der Spaß fing an der Grenze schon an. Wir hatten die internationalen Papiere fürs Auto, die Versicherung – und dennoch gab es zwei Stunden Papierkrieg. Im einen Büro wurde ein Zettel ausgefüllt, dann mussten wir 200 Meter weiter in ein anderes Gebäude, wo die Erfassung im Computer erfolgte, nach der wir in einem anderen Gebäude in einer Bank Euro Genehmigung und Bearbeitungsgebühr entrichten durften. Und das bei feinster feuchter Hitze in einem Schalterraum, bei dem von sechs Schaltern zwei besetzt waren und nur einer arbeitete. Man durfte sich auch nicht anstellen, das mache die Dame nervös, wurde uns gesagt. Also musste man die Papiere in einen Holzkasten stecken, und wann immer die Frau an ihr kleines Fenster klopfte, durfte einer aufspringen und zu ihr eilen. Dann wieder zurück ins Ursprungsbüro, wo wir unser Reisedokument und ein Zettelchen bekamen, mit dem wir zur eigentlichen Kontrolle fahren mussten. Dass Elee fast verhaftet wurde, weil er nicht um einen Appellplatz herumlief, sondern darüber wollte, setzte dem Ganzen noch die Krone auf. Nach einem gelangweilten Blick in den Kofferraum und dem Tausch des Zettelchens gegen ein Passiercheinchen durften wir endlich los. Wenn wir da an die freundliche und unkomplizierte Schnellabfertigung an der Grenze zwischen Tansania und Ruanda denken – da liegen Welten dazwischen. 

Ghana hat zudem eine tolle Geldbeschaffungsmaschine für einige seiner Bürger erfunden. Man muss nämlich jeweils zwei Aufkleber-Reflektoren (vorne weiß und hinten rot) an seinem Auto anbringen. Und die an der Grenze erwerben. Was dort „zwischen den Ländern“ herumläuft ist sagenhaft. Auf jeden Fall waren wir froh, die uns angebotenen Reflektoren von acht auf vier Euro heruntergehandelt zu haben – Geldschneiderei ist es trotzdem. Aber warum sollte man auch einen guten Eindruck hinterlassen bei Leuten, die in das Land einreisen. In Ghana hält das zumindest niemand für nötig.

Elmina Castle war für uns der Höhepunkt der Ghana-Reise
Die ersten Kilometer durch die die unglaublich reizlose Grenzstadt Aflao bestätigen den ersten Eindruck. Eine üble Holperpiste, die ich nicht nach einem Regen sehen möchte, dreckige, baufällige und halbzerfallene Häuser – hier wirbt ein Land mächtig für sich. Danach wird allerdings nicht nur die Straße besser, auch die Dörfer und Städte kommen auf normalen afrikanischen Standard. Und man könnte sich das Land wirklich gefallen lassen, wenn die Polizei nicht wäre. Einmal nimmt man unsere Papiere mit, lässt uns im Auto sitzen. Bis ich nach ein paar Minuten aussteige, da ich im Spiegel nur sehe, dass die Uniformierten mit ein paar Zivilisten reden und lachen, locker um einen Tisch fläzen. Der, der mir die Papiere abgenommen hat, sagt, ich solle wieder einsteigen, man würde mir die Dokumente schon bringen. Ein älterer Kollege erbarmt sich und kramt sie unter ein paar anderen Papieren und einem dicken Buch hervor. Im weiteren Verlauf unserer Reise wurde noch unser Reserverad inspiziert, ein Polizist wollte todernst wissen, was wir ihm und seinem Kollegen mitgebracht hätten – und war mit meiner Antwort „Gutes Wetter“  nicht wirklich zufrieden. Und einer fragte tatsächlich, ob er von uns was zu essen bekommen kann. Also das haben wir in fast einem Jahr bei 12.000 selbstgefahrenen Kilometern in Afrika nicht erlebt, was hier in Ghana innerhalb von 100 Stunden geballt kam. Unglaublich.

Die Tür ohne Rückkehr
Pooh hatte Spaß im Elmina Castle
So etwas können wir nicht ausblenden, wenn es um unsere ganz persönliche Bewertung eines Landes geht. Da ändert es auch nichts mehr, dass wir im „One Africa Guesthouse“ in Elmina hervorragend aufgenommen und bewirtet wurden und dass der Besuch im Castle wirklich überaus interessant war. Dass die Fotoerlaubnis teurer war als der Eintritt für eine Person ist in Westafrika offensichtlich üblich – wenn auch nicht schön. Aber etwas über Geschichte der Sklavenverschiffung im ältesten europäischen Bauwerk auf afrikanischem Boden zu erfahren war schon sehr interessant. Selbstverständlich besuchten wir auch den „Raum ohne Rückkehr“, dessen Betreten heute zum Glück nicht mehr in die Sklaverei führt. Schon erschütternd, was Menschen anderen Menschen angetan haben. Und was es ja heute in moderner Form auch noch gibt.

Kein Weichzeichner - Salzwasser auf der Linse
Weiter fuhren wir die Küste entlang an den Axim Beach, einen der schönsten Strände Ghanas. Einmal abgesehen von dem Müll, der überall hier an der Atlantikküste als Treibgut angespült wird, ist es tatsächlich ein wunderschönes Plätzchen. Und das Axim Beach-Hotel ist sowohl von der Lage als auch von der Anlage her ein echter Tipp. Auch die Cottages überzeugen – zumal wir dank der Klimatisierung zum ersten Mal seit Monaten wieder eine angenehm temperierte Nacht genießen konnten. Aber das Essen und der Service sind diesem Ort überhaupt nicht würdig.

Der Besuch im Fort von Axim hat sich sehr gelohnt.
Einzig das Beachrestaurant, dessen Küche aber nur bis 17 Uhr arbeitet, liefert genießbare Speisen zu passenden Preisen. Das eigentliche Hotelrestaurant wartet mit einem Abendbüffet für knapp 15 Euro auf – echt viel für afrikanische Verhältnisse. Und bietet dafür kalten, grätenreichen Fisch; lieblos dargebotene Zutaten, ein Dessert, nach dem man fragen muss, lustlose, unfreundliche, langsame Kellner. Kurzum – das macht keinen Spaß. Und wird eigentlich nur noch getoppt vom Frühstücksbüffet. Hier muss man Saft, Früchte, Marmelade und Butter in Auftrag geben. Die Darbietungsform ist ebenso wenig einladend wie die Gesichter der Angestellten. Und der Service im Hotel ist ebenso schlecht. Als wir von unserem Besuch im Fort von Axim wiederkamen, war der Zimmerschlüssel mit der Reinigungskolonne unterwegs – und die nicht auffindbar. Und als wir am Abend zwei frische Handtücher bestellten, weil wir unsere auf die von der Meeresluft ziemlich angefeuchteten Außenstühle gelegt hatten, bekamen wir nach anderthalb Stunden – zwei Bügel. Eine halbe Stunde dauerte es dann noch, bis wir wirklich die Handtücher bekamen. Das klingt jetzt vielleicht sehr meckerig. Waren aber wirklich nur Kratzer auf einer schönen Platte. Denn Lage und Unterbringung waren exzellent, und der Besuch im Fort von Axim mit der Einzelführung war wirklich erinnerungswurdig. Auch wegen des aufziehenden Gewitters.

Das Jagdfestival in Winneba - ein großes Spektakel
Richtig schön war dann noch der Aufenthalt in Winneba. Dort begann just am Tag unseres Eintreffens das  Jagdfestival, eins der größten Feste Ghanas. Wir wussten selbstverständlich von nichts, weil wir den Ort als Zwischenstation für die Heimfahrt erst auf Empfehlung togolesischer Freunde in den Reiseplan aufgenommen hatten. Dummerweise war das uns empfohlene Hotel am Stadtrand ausgebucht. Wir fanden dann ein nettes Gasthaus im Ort, von dem aus wir direkten Zugang zu der Parade hatten, die am Nachmittag durch den Ort zog. Das heißt, eigentlich waren es hauptsächlich rot gekleidete Menschen, die singend und hüpfend durch die Straßen zogen. Wir gingen dann auch noch durch den unwahrscheinlich belebten Ort, bis zum Hafen, durch Gassen, durch die wir uns vor einem Jahr noch nicht getraut hätten. Aber überall sahen wir freundliche Gesichter, Kinder, die uns zuwinkten – das war hoffentlich das Ghana, wie es meist ist. Schade, dass das Land nicht nur diese Seite hat. Abendbrot – Reis und Hühnchen, aßen wir für etwas mehr als drei Euro (zusammen) in einer Straßenkneipe. Und die Nacht war dann zwar wieder ziemlich warm, aber erstaunlich ruhig.

Dass wir Ghana nicht mit zu guten Erinnerungen verlassen, dafür sorgten dann in bewährter Weise die Polizei und die Grenzbeamten. Wir mussten doch tatsächlich diesen schwachsinnigen Papier-Marathon wiederholen, weil wir unsere Genehmigung, mit dem Auto einreisen zu dürfen, jetzt schließen mussten. Und uns nicht nur der nervigen „freundlichen Helfer“ erwehren, die einem am liebsten den Pass aus den Händen reißen wollen, um danach Geld für ihre Unterstützung einzufordern. Nein, hier kann es – wie Heike – passieren, dass man gar nicht aussteigen kann, weil Bettler vor der Autotür stehen. Mitten im Grenzkontrollbereich. Vielleicht könnt ihr jetzt verstehen, warum wir erleichtert waren, wieder in Togo zu sein. Wir können nur jedem raten, Ghana mit einem einheimischen Chauffeur oder zumindest nicht mit einem togolesischen Auto zu bereisen. 

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