Kisioki (links) hält das Köfferchen mit dem kompletten Hab und Gut seiner künftigen zweiten Frau (3.v.l.) |
Ist das Leben bei den Maasai an sich schon ein völlig anderes, so
trifft das erst recht für die Feiern zu. Nehmen wir die Hochzeit unseres Askari (Wächter)
Kisioki. Der hat schon eine Frau und mit ihr drei Kinder. Nun hatte ihn ein Vater aus einem Dorf nicht weit entfernt gefragt, ob er nicht seine
Tochter heiraten wolle. Er halte ihn, so der Brautvater zur Begründung, für
einen anständigen Mann. Kisioki überlegt nicht allzu lange, zumal die Mitgift
mit acht Rindern nicht allzu hoch war, und willigte ein. Schließlich war er ja auch im Vergleich zu den meisten anderen Maasai, die mehr Frauen haben, bisher deutlich im Hintertreffen.
Als er uns im Mai zur Hochzeit einlud, waren wir
sehr erfreut. Der Termin verschob sich dann mal zu mal, und als wir schon glaubten,
es werde wohl nichts mehr mit der Feier, hieß es: Kommt übermorgen, sprich am
30. Juni, in meine Boma. Aber nicht später als 8 Uhr morgens, wenn es geht.
Selbstverständlich erwarteten wir den heutigen Tag voller Ungeduld, so eine
Einladung erhält man nicht alle Tage. Wenngleich wir erst kürzlich Gast einer
Hochzeit waren, aber eben nicht bei Maasai. Um es vorwegzunehmen – es war alles
ganz anders als erwartet, aber wir wurden nicht enttäuscht
Tanzend und singend wird die Braut in die Boma geleitet |
Mit unserem Koch Simplis und Zimmermädchen Magda machten wir
uns pünktlich morgens auf in das etwa 75 Kilometer entfernte Tinga Tinga. Kurz
vor acht waren wir da, und kaum waren wir aus dem Auto ausgestiegen, kam auch
schon in anderes Auto und brachte die Braut. Eine offensichtlich junge Frau, 15
Jahre, wie wir später erfuhren, deren Gesicht wegen einer Unmenge an Schmuck
nicht zu erkennen war. Während die Männer sich in der Boma – also der
Ansammlung von Hütten innerhalb des äußeren Dornenkreises – versammelten und
sich relativ unbeteiligt unterhielten, umringten die Frauen draußen die Braut
und führten sie ganz langsam mit Gesängen und tanzenden Bewegungen nach
drinnen, auf das Haus der Schwiegermutter zu.
Traurigkeit ist nur für die Braut Pflicht, die anderen feiern |
Wir natürlich mittendrin, war schon bewegend. Die Braut, so
hatten wir uns vorher erkundigt, muss den ganzen Tag traurig sein, weil sie ja
ihre Familie verlässt, selbst wenn sie sich darüber freuen sollte. Letzteres
kann ich mir aber nicht vorstellen, weil es ja ein großer Schritt ins Ungewisse
ist, den sie unternimmt. Sorge, dass die Familie sie nicht gut aufnimmt, muss
sie sich keine machen. Jede helfende Hand ist willkommen, bei den Maasai sind
es schließlich die Frauen, die die ganze Arbeit innerhalb der Boma erledigen
müssen.
Und hinein zur Schwiegermutter |
Das geht hin bis zum Bau des Hauses, in dem die Frau dann
wohnt. Zunächst ist sie bei der Schwiegermutter zu Gast, bis sie mit Hilfe der
anderen Frauen ihre eigene Hütte fertiggestellt hat. Immerhin stand schon ein
Teil der Wände, es sollte also nicht mehr allzu lange dauern. Jede Maasai-Frau
hat ein eigenes Haus, der Mann wechselt seine Schlafgelegenheit und sollte
dabei, so verlangt es die Tradition, keine Frau bevorzugen.
Eingang zum Schlafraum |
Mit langsamen Schritten näherte sich der Frauentross der
Hütte und betrat sie, ich durfte ausnahmsweise mit hinein, um ein paar Bilder
zu machen. Die Männer hatten derweilen die Ankunft der Braut an ihrem Ziel zum
Anlass genommen, dem Pombe zuzusprechen, eigentlich ein selbstgebrautes Aloe-Vera-Bier,
das es aber mit genügend Geduld auf genügend Prozente bringt, um schnell zu
Kopf zu steigen. Wir waren zum Glück vorgewarnt und machten zunächst einen
Bogen darum, gespannt auf die Dinge, die da noch kommen.
Was die Hochzeit angeht, so erfuhren wir wenig später, war
nicht mehr viel zu erwarten. Um nicht zu sagen nichts mehr. Keine Trauung mit
einem Priester, zum Beispiel, obwohl die Maasai überwiegend Christen sind.
„Dann dürfte ich ja nicht mehrere Frauen heiraten“, begründet Kisioki, warum es
keine offizielle Zeremonie gibt. Auch kein Tanz mit der Braut, denn die hat ja
traurig zu sein und wäre an diesem Tag gar nicht mehr aus der Hütte gekommen,
wenn wir nicht noch ein paar Geschenke für das Hochzeitspaar übergeben und sich
nicht dafür alle zum Gruppenbild positioniert hätten.
Wahlessen - wir wählten Ziege |
Traditionelle Schafweihe |
Für uns bestand die nächste Aufgabe darin, unser Mittagessen
auszusuchen. Schaf oder Ziege standen zur Wahl, in großer Anzahl. Wir vermieden
es, das Todesurteil direkt auszusprechen und uns einen Kandidaten auszusuchen,
wir entschieden uns einfach für Ziege. Danach wurden fünf Ziegen und drei
Schafe nach draußen gebracht. Die Ziegen verschwanden mit einigen Maasai in
einem Wäldchen, die Schafe wurden sogleich wieder in das Dorf geführt, wobei
ihr Kopf mit Milch übergossen wurde. Dann nahmen sich jeweils zwei Maasai eines
Schafes an und erstickten es mit bloßen Händen. Was soll ich sagen –
martialisch anzusehen, aber es ging erstaunlich schnell.
Geschickt wird das Schaf "geschält" |
Fast ebenso flink waren die Männer dabei, den Tieren die
Haut abzuziehen, ein erstaunlich unblutige Sache. Wir nutzten die Chance, uns
aus dem Staub zu machen und die Zerteilung zu überspringen, indem wir mit
Sikiriba, unserem anderen Askari, in seine nicht weit entfernte Boma fuhren.
Dort kamen zunächst seine Kinder und die der Nachbarn und wer auch immer uns
sehen wollte, wir bekamen den traditionellen Tee und saßen ein bisschen in der
prallen Sonne herum. Sikiriba hat über 30 Geschwister, von denen viele in der
Boma zusammen leben. Entsprechend groß ist der äußere wie auch der innere
Dornenkreis, in letzterem hätte man Fußball spielen können.
Wir staunten schon sehr, als Sikiriba erzählte, dass seine
Familie etwa 1000 Rinder besitzt. Das ist ein Wert von weit über 300.000 Euro.
Und das ist auch in Deutschland ein Haufen Geld. Aber die Maasai sehen das
nicht so, sie handeln Rinder nur untereinander. Wer etwas auf Tradition hält,
und das sind die meisten, der sieht die Rinder als Nahrungsreserve und nicht
als Geldanlage. Das wird übrigens mehr und mehr zum Problem, denn die Herden
wachsen unaufhaltsam und die Weidegründe reichen in einigen Gegenden schon
nicht mehr aus. Was bedeutet, dass der Druck auf die Nationalparks und
Schutzgebiete wächst.
Wind einkalkuliert |
Sikiriba beim Zerteilen |
Aber zurück zur Hochzeit. Im wörtlichen Sinne. Denn wieder
bei Kisioki führte er uns ins Wäldchen, wo das Ziegenfleisch schon über dem
Feuer geröstet war und nur darauf wartete, verzehrt zu werden. Es war wirklich
lecker und ein besonderes Gefühl, so im Kreis hockend eine Mahlzeit
einzunehmen. Nun waren Heike und Magda die Ausnahmen, normalerweise haben
Frauen draußen beim Männeressen nichts zu suchen. Madga fand auch sogleich
einen Verehrer, der sie gerne als dritte Frau zu sich genommen hätte. Ihr
Ehemann solle sich nicht so haben, sie hätte es bei ihm viel besser. Nun, das
wagen nicht nur wir zu bezweifeln, die schon Magdas Haus gesehen und den
direkten Vergleich zu der Maasai-Behausung hatten, die uns der stolze Krieger
kurz darauf zeigte. Magda war zumindest
froh, sich dann wieder unter die Frauen mischen zu dürfen. Heike blieb
von solchen Avancen verschont, bestimmt nur, weil ich mit dabei war – denn wer
würde sie nicht zu seiner Frau haben wollen…
Es schmeckt auch nicht jedem Maasai |
Pombe-Pott mit Nachspülern |
Wieder mal ein Erlebnis, das wir wohl nie vergessen werden.
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