Dienstag, 9. April 2013

Gesunder Büroschlaf

Ein Schläfchen in Ehren - vor unserem Haus
Wir hatten ja in Tansania im Supermarkt schon Mitarbeiterinnen an den Kassen schlafen sehen und in der Steuerbehörde eine Dame im Großraumbüro, deren Kopf schlaftrunken auf die Tastatur gesunken war. Aber unser Erlebnis heute toppt das irgendwie noch einmal. Wir sind mit Elee durch wüste Gassen Lomés gefahren, um die Botschaft von Ghana aufzusuchen. Die liegt wirklich ziemlich abgelegen, und wir wissen auch, warum. Man will nämlich offensichtlich nicht, dass dort Menschen hinkommen und was wollen.


Der Mann an der Pforte war noch sehr nett. Die Dame in der Rezeption beantwortete unsere Frage nach Visaantragsformularen ohne zu uns aufzublicken mit einem Fingerzeig auf eine Tür, an der groß und deutlich in Französisch und Englisch stand, dass man hier nicht reingehen  darf. Nun, wir trauten uns hindurch und standen in einem Flur. An der Tür gegenüber stand auf einem Schild VISA und auf einem gleich daneben NO ENTRY. Ich schaute vorsichtig durch die geöffnete Tür und sah eine Dame hinter ihrem Schreibtisch sitzen und eine zweite, die den Kopf auf ihren Schreibtisch bettete. Um ihr die Peinlichkeit zu ersparen, dass ich sie bei ihrem Büroschlaf sehe, zog ich meinen Kopf zurück, klopfte laut, und wir traten nach einer Kunstpause ein.

Der Kopf war augenscheinlich ziemlich schwer, denn der Hochfahrprozess war immer noch im Gange. Es ging zwar schneller als das Hochfahren eine Windows-Computers, aber die Betriebsbereitschaft war offensichtlich noch nicht gegeben. Wir traten näher und ich fragte nach Visa für einen Besuch in Ghana. Wo wir den herkämen, wollte sie grummeln wissen. Aus Deutschland. Warum wir die Visa nicht dort beantragt hätten, kam die Nachfrage. Weil wir vor einem Jahr noch nicht wussten, wann wir denn genau nach Ghana reisen wollten und wir seit über zehn Monaten nicht mehr in Deutschland waren. Das sei ihr egal, brummte sie, das Visum müsse immer im Heimatland beantragt werden. Das sei in vielen Ländern in Afrika aber nicht so gewesen und auch unsere Botschaft in Lomé habe uns gesagt, wir bekämen hier die Visa. Knurrend schob sie uns zwei Formulare über den Tisch mit der Anmerkung, sie ja in Großbuchstaben auszufüllen.

Dazu durften wir wieder nach draußen durch die beiden verbotenen Türen, und ich machte mich daran, in Schönschrift und Großbuchstaben alles aufzuschreiben, was man wissen wollte. Danach begaben wir uns zurück zu der Botschaftsmitarbeiterin. Deren Kopf hatte allerdings der Schwerkraft schon wieder nicht widerstehen können und war erneut, diesmal gepolstert von einem Tuch, auf den Schreibtisch gesunken. Das Betriebssystem war offensichtlich gerade heruntergefahren, denn sie machte keine Zuckung. Ihre Kollegin winkte uns heran und nahm die Formulare. Sie musterte die jeweils vier Passbilder, die wir für den Antrag abgeben mussten, studierte dann die Formulare und wies mich darauf hin, dass ich nicht nur unsere dienstlichen Adressen vergessen, sondern auch noch unsere Wohnadresse in Togo eingeschrieben hatte und nicht etwa die in Deutschland. Gut, mein Fehler. Ach so – und sie brauche auch noch unsere Adresse in Ghana für die Zeit unseres Aufenthaltes. Dann stand sie tatsächlich auf und ging an den Schreibtisch ihrer Kollegin, um uns zwei neue Formulare zu geben. Ich meine, sie hätte sie ja auch wecken können. Aber in der Botschaft von Ghana geht man offensichtlich sehr rücksichtsvoll miteinander um.

Gut, dass ich vorbereitet war. Ich hatte nämlich die Adresse vom Novotel in Accra herausgesucht und auf einen Zettel geschrieben, falls die Frage kommt. Und so füllte ich guten Mutes die Formulare ein zweites Mal aus und machte nur zwei kleine Fehlerchen in der Großschreibung, die aber glücklicherweise keine Folgen hatten. Kurz vor uns war ein anderer Visaantragssteller durch die verbotenen Türen gegangen, so dass wir uns schon fragten, wie das Problem mit dem plötzlichen Bürostress wohl gemeistert würde. Aber irgendwie hatte die Schlafende mitbekommen, dass ihre Kollegin beschäftigt war, denn sie hob mit größter Kraftanstrengung ihren Kopf, nahm unsere Formulare, studierte sie, nahm uns 20.000 CFA pro Kopf ab und murmelte, wir könnten Freitag um 11 die Pässe mit den Visa abholen. Damit war aber ihre Energie schon wieder erschöpft, und noch während wir das Büro verließen, sank ihr Kopf wieder nach unten. „Jetzt ist mir auch klar, warum man hier keine Handys mit reinnehmen darf“, sagte Heike draußen. „Es könnte ja jemand ein Foto machen oder ein Video drehen.“ Und mir ist jetzt auch klar, warum die drei Tage brauchen, um so ein kleines Visum auszustellen.

Aber Schlafen ist hier in. Da schläft die Backwarenfachverkäuferin hinter dem Tresen auf drei Stühlen und schrickt hoch, als wir nach einer Minute des Wartens auf uns aufmerksam machen. Wohl geruht wird auch in einem unserer Lieblingssupermärkte - in die obere Etage kommen nicht viele Kunden, da schläft es sich ungestörter. Unsere Hausmädchen schlafen gerne auf dem großen Steintisch vor dem Haus, also quasi auf der Straße. Die Tageszeit spielt da keine Rolle. Neulich schlief sogar eine Kosmetikvertreterin mit. Immer wieder sieht man Straßenhändler neben ihren Waren herumliegen, so auch die Gemüseverkäuferin, bei der wir uns vor ein paar Tagen mit leckeren Mango und Papaya eindeckten. Aber man muss zugeben - es ist wirklich warm hier, da kann man schon schläfrig werden.

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