Montag, 13. Mai 2013

Abenteuerliche Heimreise

Wie soll so ein Abenteuerjahr enden, wenn nicht mit einer abenteuerlichen Heimreise? Und die hatten wir in der Tat. Am Sonntag nach dem Mittag machten wir uns ganz entspannt ans packen. Bis Karina uns informierte, dass sie gerade im Internet gelesen hat, unser Flug nach Brüssel sei annulliert. Es dauerte eine Weile, bis ich auf der Seite von Brussels Airlines keine Hinweise darauf fand. Flugstatistik-Seiten zeigten aber tatsächlich ein rotes "CANCELLED" für unseren Flug. Elee und Roger halfen uns, Kontakt zum Flughafen herzustellen, dort wurde uns bestätigt, dass der Flug planmäßig stattfinden werde. Das Aufatmen war allerdings nur kurz.

Ein paar Minuten nach dem Telefonat wurden wir nämlich angerufen und informiert. Darüber, dass unser Flieger zwei Stunden Verspätung haben wird. Das war zwar nett, nutzte uns aber nicht viel. Denn schließlich war der geplante Abflug um 22.50 Uhr, und da Elee, Delphine und die Kinder uns selbstverständlich zum Flughafen bringen und verabschieden wollten, kam es auch nicht infrage, erst 21 Uhr dorthin zu starten.

Wie immer, wenn man genug Zeit hat, ging die Fahrt auch noch sehr schnell, so dass wir viel zu früh da waren. Auf normalen Flughäfen hätte man ein bisschen bummeln oder sich schon mal am Schalter anstellen können. Nicht so in Lomé. Hier sitzen Sicherheitsbeamte am Eingang der Abflughalle und kontrollieren die Bordkarten. Und die Zeit für den Brüsselflug war einfach noch nicht reif. Bei unserem Eintreffen halb acht hieß es, "in 30 Minuten". Also stellten wir uns etwas abseits, begründeten so eine stetig wachsende lineare Wartegemeinschaft und verabschiedeten uns tränenreich von unseren Freunden. Auch Roger war noch gekommen. Dass sie nicht warteten, war echt gut, denn es dauerte etwas mehr als eine Stunde, bis wir endlich die erste Hürde überwinden und zum Check-In-Schalter vordringen konnten.

Dort waren wir die ersten und bekamen auch gleich die Information, dass wir unseren Anschlussflug in Brüssel nicht erreichen und stattdessen zwei Stunden später in Frankfurt landen würden. Nun gut, zum Glück hatten wir mit unseren letzten Meilen ein Upgrade in die Business-Class "erkauft" und konnten so in der VIP-Lounge des Flughafens warten. Auf dem Weg dorthin gab es aber noch ein paar Hürden zu überwinden. Die erste in Form eines Sicherheitsbeamten, der sogar ein paar Sätze deutsch konnte und mich fragte, was ich denn wohl in meinem Koffer hätte. Die Frage, in welchem, konnte er nicht beantworten, stattdessen führte er uns durch einen Gang an der Toilette vorbei in die Innereien des Flughafens. Nach einem kurzen Ausflug in die feuchtwarme Außenluft folgten wir einem Förderband ins Innere und kamen in eine kleine Kammer, wo ich einem ziemlich gelangweilten barfüßigen Uniformierten den Inhalt des Hartschalenkoffers zeigen musste. Gut, der Kabelsalat und die Adaptersammlung können schon für Verwirrung bei der Bildschirmkontrolle sorgen. Es gab aber nichts zu beanstanden, und so ging es zurück, um die Ausreisebescheinigung auszufüllen.

Erstaunlich. Obwohl wir innerhalb von den paar Wochen in Togo nun schon zum sage und schreibe siebzehnten Mal (inklusive der Touren nach Benin und Ghana) die Möglichkeit bekamen, unsere Daten aufzuschreiben, habe ich mir Passnummern und Ausstellungsdaten nicht merken können. Mit dem ausgefüllten Zettel ging es dann nach einer Bordkarten-Besichtigung zur Passkontrolle, wo wir unseren vorerst letzten afrikanischen Stempel bekamen. In Sichtweite davon standen zwei weitere Kontrolleure, die offensichtlich da waren, um ihre Kollegen zu überprüfen. Obwohl sie sahen, wie wir die Passkontrolle passierten, schauten sich die beiden genau den Stempel an - was sie daran finden wollten, das wird uns ewig ein Rätsel bleiben. Es folgte die Handgepäck-Kontrolle - mit Rucksack-Öffnung -, nach der wir uns erst einmal in der Lounge bei Bier, Whisky, Salzgebäck, Erdnüssen und Oliven (andere Speisen gab es nicht) ein wenig von der Kontrollitis ausruhen konnten. Von hier aus konnten wir auch Karina über die zu erwartende Verspätung informieren, die wiederum unseren Flughafen-Abholer Jürgen ins Bild setzte.

Als dann weit nach Mitternacht endlich das Boarding begann, hatten die Sicherheitsleute immer noch nicht genug. Wohlgemerkt - wir hatten schon diverse Kontrollen passiert. Trotzdem wollte man zum Eintritt in den Gate-Vorraum noch einmal Pässe und Bordkarten sehen, dann gab es noch einmal eine manuelle Kontrolle des Handgepäcks. Bevor wir den Bus besteigen durften, der uns die 50 Meter bis zum Flugzeug fuhr, wurden Ausweise und Bordkarten nochmals kontrolliert. Und bevor es dann die Treppe hochging, gab es noch einmal einen Ansager und einen Aufschreiber, die anhand der Kontrollnummern der Bordkarten sicher gingen, dass sie auch jeden Kontrollierten wirklich los wurden.

Entschädigt wurden wir von einer absolut unglaublichen Business-Class im Airbus 330-300 von Brussels Airlines. Mit Sitzen, die nicht nur pneumatisch den Wünschen nach Härte oder Weichheit angepasst werden konnten und einem den Rücken massierten, nein, man konnte sie sogar in eine waagerechte Liegeposition verstellen. Exzellentes Essen und eine reichhaltige Filmauswahl ließen die Zeit wie im Flug vergehen (was für ein blödes sprachliches Bild - es war ja im Flug). Aber echt, ich kann mich nicht erinnern, mich jemals über einen zu kurzen Flug geärgert zu haben. Diesmal schon. Konnte gerade so den kleinen Hobbit sehen (war ziemlich enttäuscht davon) und ein bisschen schlafen, da waren wir schon in Brüssel.

Und da ging der Ärger erst richtig los. Gleich am Flugzeug informierte uns eine Flughafen-Mitarbeiterin, dass der Flug nach Frankfurt wegen eines Streiks des Swissport-Bodenpersonals annulliert sei. Auch der nächste, der übernächste und wohl auch der danach. Näheres würden wir in der Abflughalle am Lufthansa-Schalter erfahren. Auch hier profitierten wir wieder von unserem Business-Status, denn wir mussten uns nicht an die riesigen Schlangen anstellen, sondern konnten den Schnellzugriff auf dem roten Teppich genießen. Der dortige Schalterist fand nach längerer Suche die schnellste Möglichkeit, uns nach Frankfurt zu bringen. Und zwar über Berlin. Was aber auch nichts daran änderte, dass wir erst 19 Uhr ankommen würden.

In der Lufthansa-Lounge angekommen, nutzten wir erst einmal das WLAN, um Karina und Jürgen über die neue Lage ins Bild zu setzen. Jürgen tat uns mächtig leid, war er doch zu diesem Zeitpunkt schon in Frankfurt eingetroffen und hatte acht Stunden Wartezeit vor sich. Während er Fastfood im Gasthaus zum Goldenen Bogen zu sich nahm, labten wir uns am reichhaltigen Speisen- und Getränkeangebot der Lounge. Also - wenn ich in Geld schwimmen würde, dann zöge ich es vor, nur noch so zu reisen. Allerdings wird man dann vermutlich zum Alkoholiker. Und schneckenfett vom guten Essen (außer in Lomé). Also lieber nicht. Aber für diese Reise war es ein Hauptgewinn, nicht Economy zu fliegen. Als das Abflug-Gate unseres Umweges über Berlin feststand, machten wir uns auf den langen, langen Fußweg.

Am Gate angekommen, trauten wir unseren Augen nicht. 40 Minuten Verspätung stand da. Ob das den Abschied unseres Anschlussfluges nach Frankfurt bedeuten würde, diese Frage konnte man uns leider hier nicht beantworten. Also den ganzen Weg wieder zurück, in die lange Schlange am Service-Schalter eingereiht. Und ein paar Reiseschicksale mitbekommen. Von einem Mann, der auf dem Weg nach Polen nun in Berlin übernachten musste. Einem anderen, dem noch gar nicht gesagt werden konnte, wie er denn nun nach Madrid kommt. Und einer Frau, der sie bei Ankunft in Brüssel ihren Koffer in die Hand gedrückt hatten. Sie solle ihn mit ins Flugzeug nehmen. Was bei der Sicherheitskontrolle den Verlust aller eigentlich im Koffer sicher geglaubten Flüssigkeiten und zweier als Geschenk gedachter teurer Schweizer Messer bedeutete.

Eine Alternativroute gab es für uns nicht. Die Empfehlung hieß lediglich, erstmal nach Berlin zu fliegen und dort weiterzuschauen, es würde stündlich ein Flieger nach Frankfurt starten. Und außerdem würden 30 Minuten theoretisch reichen, um den Anschlussflieger zu bekommen. Dass die Theorie keine Chance in der Praxis haben würde, erfuhren wir nach unserem Rücksprint zum Gate. Dort standen wir nämlich noch eine halbe Stunde, bevor überhaupt erst einmal das Boarding begann. Bevor alle im Flugzeug waren, hatten wir auch schon die uns noch verblieben 30 Umsteige-Minuten verbraucht. Und als der Kapitän dann sagte, dass wegen des Streiks nur ein Schubwagen zur Verfügung stünde und wir noch etwas zu warten hätten, verabschiedeten wir schon mal gedanklich unseren Anschlussflug und hatten ein noch schlechteres Gewissen wegen der Verlängerung für Jürgen.

Zwar holte der Flieger auf dem Weg nach Berlin noch einmal reichlich Zeit auf, konnte aber nur erreichen, dass wir, als wir landeten, auf der Parallel-Startbahn unseren Lufthansa-Flieger entschwinden sahen. Dann ging alles ganz schnell. Raus aus dem Flieger, exakt um 18 Uhr seit dem dem 29. Mai 2012 zum ersten Mal wieder deutschen Boden betreten, rein in den Bus, ab zum Terminal, schnell zum Brussels-Airlines-Schalter, ein neues Ticket bekommen, rennen zum Gate 8, gerade noch rechtzeitig für den Flieger 18.45 Uhr. Um die Ecke, Sicherheitskontrolle. Stopp. Laptop und Fotorucksack, wieder raus ins kleine Labor. Sprengstoff- oder Drogen- oder Was-auch-immer-Kontrolle, zurück zur Sicherheitsschleuse, zum Gate. Geschafft. Eine nett aussehenden Menschen angesprochen, ob wir mal für kein Geld sein Handy nutzen können. Wir durften und stellten fest, dass nicht nur wenn's um Geld geht, die Sparkasse ein kompetenter und hilfreicher Partner ist - der Mann outete sich nämlich als Sparkassen-Mitarbeiter (vielen Dank für die selbstlose Hilfe). Jürgen angerufen, der sich wunderte, dass wir aus einem gerade landenden Flugzeug schon telefonieren. Ihm erklärt dass nur das Flugzeug gelandet sei, wir aber noch gar nicht gestartet. Aufgelegt, fast als letzte rein in den Flieger. Hinsetzen. Uff.

Und dann - endlich in Frankfurt. 19.55 statt 9.35 Uhr. Und ohne unsere vier aufgegebenen Gepäckstücke. Dafür löschte der Computer in der Gepäckverlustaufnahme kurz vor Fertigstellung meine Verlustanzeige. Wenn mal was schief geht, dann richtig - also noch einmal von vorn. Und dann waren wir endlich draußen. Wo Jürgen tatsächlich noch auf uns wartete und sogar ein fröhliches Lächeln für uns übrig hatte. Danke, Jürgen, bist wirklich ein Held. Etwas mehr als zwei Stunden dauerte es noch, nachdem wir die endlosen Windungen des Parkhauses hinter uns gelassen hatten, und 23 Uhr waren wir in Arnstadt. Daheim. Dort, von wo wir vor 350 Tagen aufgebrochen waren, um ein anderes Leben zu leben. Und es fühlte sich gut an, wieder hier zu sein.

Das erste, was wir sahen, waren Luftballons. Dann Kai und seine Franzi. Karina und Ralf. Manu und Rainer, unseren Nachbarn Jörg. Spruchbänder, noch mehr Luftballons. Der Grill wurde angeschmissen. Bratwurst, Sekt, später noch Bananenkuchen und Kaffee. Eine schöne Überraschung. Schade nur, dass die anderen Überraschungsgäste wegen der späten Stunde schon wieder gegangen waren. Aber danke an Hape, Heike und Lea sowie Grit und die Jungs, dass ihr hier wart. Wir sehen uns schon bald.

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