Sonntag, 13. Juli 2008

Ein Sonntag am Strand


Der Sonntag war als Ruhetag geplant, und so hatten wir darum gebeten, zum Abendessen in eine Gaststätte einladen zu dürfen, damit Delphine und ihre hilfreiche und heftig beschäftigte rechte Hand Jeanne nicht wieder stundenlang mit der Essenzubereitung beschäftigt sind. Nicht alle widmen sich aber am Sonntag den uneingeschränkten Freizeitvergnügen. Zum einen zieht es Scharen von Menschen in allerfeinstem Sonntagsstaat in die zahlreichen Kirchen, zum anderen haben auch Schneider zu tun, wie wir merkten, denn Elee hatte erst mich bei seinem Schneider und später auch Heike und Maja bei der Schneiderin seiner Frau zum Maßnehmen angemeldet, wir sollten togolesisch eingekleidet werden.

Nachdem wir schon für zwölf Uhr bei Firmin angemeldet waren, kamen wir gut 90 Minuten später dort auch an. Dem hierzulande obligatorischen Wasser zur Begrüßung folgte die ebenso obligatorische Bierrunde – mit den hier wohl unvermeidlichen 650-ml-Flaschen. Weiter im etwas kühleren Norden des Landes, erklärte uns Elee später, wird bei diesen Gelegenheiten auch Höherprozentiges aufgetischt – uns war es auch für ein großes Bier reichlich warm. Aber dafür sollte es ja dann zur Abkühlung ans Meer gehen. Am frühen Nachmittag machten wir uns auf in Richtung Atlantik, wir hatten vor, den Strand auch einmal voller Menschen zu erleben – das sollte am Sonntag der Fall sein, wie Elee sagte. Zuerst ging es aber in einem Auto voller Menschen, inzwischen waren wir zu neunt, kurz an die Grenze nach Ghana, die tatsächlich quasi mitten in der Stadt an der Küstenstraße liegt. Diesen Bereich belebt zu nennen wäre eine riesige Untertreibung, hier kocht das Leben auf voller Flamme. Händler und Taxifahrer scheinen gegenüber den tatsächlichen Grenzgängern bzw. -fahrern mehrfach in der Überzahl. Die Luft ist erfüllt von Lärm, Abgasen, Staub und Essensgerüchen sowie den schon bekannten Müllfeuerdüften. Junge Frauen preisen Brot oder andere Lebensmittel an, alte Männer sitzen mit superdicken Geldbündeln an kleinen Tischen und warten auf Devisenwechselkundschaft. Fotoapparate werden hier nicht gern gesehen, weder die Grenze noch die Händler sollen bzw. wollen fotografiert werden, macht man uns – sehr höflich – deutlich.

Schnell machen wir uns wieder ins Auto und entfliehen dem Trubel für ein, zwei Kilometer. Dann fahren wir auf den hinteren Bereich des über hundert Meter breiten palmengesäumten Strandes, der sich tatsächlich heute ganz anders präsentiert als bei unserem ersten Besuch. Menschen über Menschen flanieren entlang der Brandung oder liegen im Schatten der Bäume. Reiter suchen ebenso ihre Kundschaft wie Händler mit Erdnüssen, die die feuchte salzige Meeresluft in sich tragen. Wie ein feiner Nebel wird die Gischt der riesigen Wellen über den Strand getragen, schlägt sich nieder auf Autoscheiben, Brillen und Kameralinsen. Wir nehmen die Kinder, haben diesmal auch die Nachbarstochter Elsa dabei, und gehen mit Delphine vor ans Wasser, während Elee und Mensa sich auf die Suche nach einer Pizzeria für das Abendbrot begeben.

Es wir eine Stranderfahrung, wie wir sie noch nie gemacht haben. Kein Mensch badet hier, obwohl es über 30 Grad warm ist und auch das Wasser eine sehr angenehme Temperatur hat. Aber schon die Brecher, die hier heranrollen, sind Ehrfurcht gebietend, und die Unterströmung, die beim Zurückfließen des Wassers selbst bei dessen letzten Ausläufern spürbar ist, nimmt mit jedem Schritt weiter hinein Furcht einflößende Ausmaße an. Wir gehen nur ein kleines Stück nach vorn, warten auf größere Wellen und haben einen riesigen Spaß mit den Kindern, die an unseren Händen vom Wasser hin und her gewirbelt werden. In kürzester Zeit sind wir so nass, dass wir doch unsere Sachen ausziehen und uns in Badehosen bzw. Bikini in unserer ganzen weißen Pracht präsentieren. Spätestens da zog die schwarz-weiße Mischung die Aufmerksamkeit auf sich, wir waren an diesem Tag sicher die meistfotografierte Attraktion am Strand von Lomé. Nach dem Badevergnügen der anderen Art versuchten wir vergeblich, unsere Sachen an der Haut, in der Luft wedelnd und auf dem heißen Autodach zu trocknen. Die Luft war einfach zu wassergetränkt. Also schlüpften wir in die feuchten Klamotten und fuhren doch noch einmal nach Hause.

Elee hatte inzwischen herausbekommen, dass es auch in unserer Nachbarschaft eine Pizzeria geben soll, und in die fuhren wir dann auch abends – erstmals sogar gemeinsam mit Jeanne, die, wie sich herausstellte, erst elf Jahre alt ist, aber das volle Pensum einer Haushälterin abspult. Elee hatte sich sicherheitshalber Fish and Chips geholt, er traute dem Pizzafrieden selbst aus vegetarischer Sicht nicht, für Delphine, Mensa, Geraldo, Elodie und Jeanne war es die erste Begegnung mit dem wie wir dachten weltweit bekannten und beliebten italienischen Exportartikel. Der wurde uns hier übrigens frisch belegt, originalgetreu im Steinofen bereitet und stilvoll auf Holz serviert präsentiert und schmeckte absolut fantastisch. Wie unterschiedlich die Maßstäbe sind, erfuhren wir hier wieder einmal. Während Mensa die 2700 CFA (etwa 4 Euro) für seine Pizza als sehr teuer empfand, stuften wir das inklusive der Getränke knapp 38 Euro teure Abendmahl angesichts von 9 Personen in die Kategorie „sehr preiswert“ ein.

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