Samstag, 20. April 2013

Auf nach Cotonou

Das ist nicht einfach nur ein abgesoffener Gemüsestand, davor das ist die ebenso abgesoffene Straße
Benin ist das Nachbarland im Osten von Togo, die Grenze ist nur knapp 40 Kilometer von unserem Domizil in Baguida entfernt. Dieses Wochenende reisten wir mit Elee dorthin, um seine Schwester Martine zu besuchen und ein Pfahldorf zu besichtigen. Bis zur Grenze war es dank der zum Teil neu ausgebauten und im weiteren Verlauf in gutem Zustand befindlichen  Küstenstraße kein Problem. Elee hatte mir das Fahren überlassen, damit ich mich in Vorbereitung unserer Tour nach Ghana schon einmal an den westafrikanischen Verkehr gewöhnen kann. An der Grenze stellte ich mich neben zwei Einheimische, wurde aber im Gegensatz zu denen angewiesen, mich wo anders hinzustellen. Beim Rückwärtsfahren winkte mich irgendein Heini erst einmal so weit, dass ich gegen die Wurzel eines Baumes stieß und den hinteren linken Schmutzfänger verlor. Der Typ war selbstredend sofort verschwunden.

Dann wurde zunächst unser Visum kontrolliert, danach mussten wir in eine andere Baracke, wo wir die Ausreisestempel bekamen und meine Personalien aufgeschrieben wurden. An Heikes Daten waren sie nicht interessiert. Als das erledigt war, quälten wir uns an Lkw vorbei durch ein enges Tor, passierten das mächtig belebte Niemandsland und fuhren dann in den Grenzbereich der Republik Benin. Dort wies mich Elee an, mich auf die rechte Seite zu stellen, was selbstverständlich auch wieder nicht richtig war. Dann wurden auf der rechten Seite unsere Personalien aufgenommen, wir bekamen den Einreisestempel und mussten dann auf die linke Seite, wo kontrolliert wurde, ob wir alle Papiere für das Auto dabei haben. Anschließend fuhren wir 100 Meter vor und mussten auf der rechten Seite noch ein Passierscheinchen erwerben, damit uns die Einfahrt ins Land erlaubt wurde. Alles in allem ging es dank des geringen Andrangs recht flott.

In Benin tankten wir voll, es ist ein paar CFA billiger als in Togo, und holten Geld. Das ist hier das gleiche wie in Togo, der CFA. Gleicher Wert, gleiche Scheine – wie beim Euro. Auf den Scheinen erkennt man das Herkunftsland angesichts des aufgedruckten ersten Buchstabens des Ländernamens. Burkina Faso, Senegal, Elfenbeinküste und Mali gehören auch zur Westafrikanischen Währungsunion. Wie in der Eurozone gibt es hier auch unterschiedliche Preise, so kosten Baguettes in Benin zum Beispiel etwas mehr, sind aber auch wesentlich leckerer als die, die wir in Baguida bekommen.

Die Straße in die etwa 100 Kilometer entfernte Hauptstadt Cotonou ist zu Beginn noch gut, dann wird sie immer löchriger, dass einem Angst und Bange werden kann. Bis zu einem Meter im Durchmesser, bis zu etwa 20 Zentimeter tief, mit scharfen Asphaltkanten. Und oft gleich zwei oder drei leicht versetzt nebeneinander, so dass man sich aussuchen kann, welches man mitnimmt. Dazu kommt, dass man das Gefühl hat, dass in Benin nicht nur die Motorradfahrer keinen Führerschein brauchen, sondern auch die Auto- und Lkw-Fahrer. So etwas habe ich bei all meinen Auslandsaufenthalten noch nicht erlebt. Die meisten sind der Meinung, dass man mit einem Rad immer jenseits des Mittelstreifens fahren muss. Das hat nichts mit den Löchern zu tun, die Randstreifen sind erstaunlicherweise über weite Strecken in einem besseren Zustand als die Fahrbahn. Der Hauptgrund sind die Zweiräder, von denen es hier noch einige mehr gibt als in Togo, und deren Fahrer aufgrund ihrer großen Menge wohl glauben, die Straße gehöre ihnen. Sie überholen ohne auch nur das geringste Anzeichen, queren die Straße, kommen auch mal auf der Gegenseite angebraust und schnippen zwischen den Autos hindurch, als gäbe es kein Morgen. Da sie sich meist rechts breit machen, ist die Mitte-Fahrerei der Pkw und Lkw bis zu einem gewissen Maße noch verständlich. Die wird aber auch praktiziert, wenn kein Zweirad in Sicht ist, und führt, da es der Gegenverkehr ja auch so macht, zu einem ständigen Pendeln. Das macht das Überholen zu einer kniffligen Angelegenheit. Na ja – und langsam hinter jemanden herfahren, wenn es auch schneller geht, ist, wie mancher vielleicht weiß, nicht mein Ding.

Auf den belebten Abschnitten konnte ich leider nicht fotografieren
Die Krönung kam aber vor unserem ersten Zielort Cococindji, einem Vorort von Cotonou. Da hörte nämlich die Befestigung der Straße plötzlich auf. Das heißt, für uns plötzlich. Die Einheimischen wissen wahrscheinlich, dass hier, auf der wichtigsten Transitstrecke Benins zwischen Togo und Nigeria, gut 20 Kilometer Straße fehlen. Dafür fährt man auf einem bis zu etwa 50 Meter breiten Sand-Highway. Wie schön, dass es eine halbe Stunde vorher kräftig angefangen hatte zu regnen. Jetzt musste ich mich auch nicht mehr wundern, warum die uns entgegenkommenden Fahrzeugen seit geraumer Zeit so schmutzig waren. Sie hatten keine Nebenstraßen passiert. Nein, sie waren durch die gleiche Schlammwüste gefahren, die sich uns nun auch auftat. Auch hier das gleiche Bild. Die meisten fuhren in der Mitte. Und wenn man, wie ein paar andere und ich dann auch, sie wegen des schnelleren Vorankommens rechts passierte, wurde man noch dumm angeglotzt. Oder angehupt. Sehr merkwürdig. Warum fährt man hinter einem Lkw her, wenn man ihn auch passieren kann und dahinter sogar wieder ein bisschen Vorausblick hat auf das, was einen erwartet? Tiefe Schlammlöcher zum Beispiel. Seen, in denen Melonen schwimmen. Kreuzende Zweiräder, die irre schlingernd gegen den Morast kämpfen. Steckengebliebene Autos, deren Besitzer verzweifelt versuchen, sie wieder in Gang zu bringen. Das war wirklich ein Fahrerlebnis der Extraklasse. Driften inklusive. Ehrlich gesagt, mir hat es Spaß gemacht. Meinen Mitfahrern vermutlich nicht ganz so. Am Ende des Tages stellte aber Elee zumindest fest, dass ich Auto fahre wie ein alter Hase.

Nun, in Cococindji trafen wir Martine. Sie wohnt hier in einer Zweizimmerwohnung mit Küche und Dusche. Toilette ist ein Plumpsklo mit Steinumfassung auf dem Hof. Erwartungsgemäß gab es nach einem Begrüßungswasser – es wird gar nicht mehr so viel Bier ausgeschenkt hier – ein leckeres Mittagessen mit Reis und Fisch, dazu einen französischen Rotwein. Im Anschluss schloss Martine ihr kleines Geschäft, so eine Art Tante-Emma-Laden, das sie unmittelbar am Grundstück, auf dem sie ihre Wohnung gemietet hat, betreibt. Dann fuhren wir mit ihr und ihrer Freundin und deren Tochter nach Cotonou, um dort ein Kunsthandwerkszentrum zu besichtigen. Andere Sehenswürdigkeiten waren den Damen nicht eingefallen, und angesichts des wolkenverhangenen Himmels war uns auch nicht ganz so nach ausgedehnten Außenaktivitäten. Also wieder raus in die Schlammschlacht und ab Richtung Hauptstadt. Tatsächlich bekamen wir erst kurz vor dem Stadtzentrum wieder Asphalt unter die Räder. Der Verkehr in der Stadt war wie zu erwarten chaotisch, aber beherrschbar. Auch hier, auf den vierspurigen Straßen, das gleiche Bild. Eigentlich für Zweiräder gesperrt, haben Vierräder-Fahrer vor der Übermacht kapituliert und nutzen die rechte Fahrspur nur, um auf der linken Fahrspur schleichende Fahrzeuge zu überholen. Es kann aber auch sein, dass ein großer Lkw aus irgendeinem Grund langsam nach rechts driftet, damit für nachvollziehbare Aufregung unter den Motorradfahren sorgt und man dann die Chance nutzen muss, links durch die Lücke zu sprinten, da man sonst von hinten vollgehupt wird. Zum Glück ist Elees Toyota im zweiten Gang ganz anzugkräftig – wenngleich er glaube ich bei ihm noch nie solche Beschleunigungen mitmachen musste.

Auf dem Kunsthandwerksmarkt in Cotonou
Wir kamen jedenfalls dank Martines Ortskenntnis gut zu dem Souvenirmarkt und kauften für alle ein paar feine Stücke. Martine ist ein Genie, was das Handeln angeht. So ignorierte sie jeweils die erste Preisnennung total, schaute den Verkäufer vielmehr an, als wolle er ihr an die Wäsche gehen. Daraufhin gab es ein besseres Angebot, das sie dann als Grundlage zum Feilschen nutzte. Auf die Art lagen wir am Ende bei 50 bis 60 Prozent des Ursprungspreises. Die Krönung war der Kauf von zwei Ohrringen für Heike. Sie sollten 2000 CFA kosten (also etwa 3 Euro). Dann kamen noch zwei Schlüsselanhänger dazu (jeweils 500 CFA). Und schließlich fiel Martine noch ein Kamm auf, den sie für ihre Mama kaufen wollte. Der war, so sagte der Verkäufer, für 5000 CFA zu haben. Nach einigem hin und her, bei dem gar nicht mehr sicher war, ob wir überhaupt etwas kaufen wollen, bekamen wir dann alles zusammen für 2000 CFA. Ein weiterer Trick ist es, die Summe, die man gewillt ist zu bezahlen, dem Verkäufer in die Hand zu drücken, wenn die Verhandlung ins Stocken geraten ist. Man sollte selbstverständlich das Objekt seiner Begierde schon in der eigenen Hand haben. Dann zieren sich die Verkäufer meistens, schweren Herzens kann man je nach Preis noch einmal 500 oder 1000 CFA nachlegen, aber dann hat es sich und man hat einen guten Abschluss gemacht. Jedenfalls schauten einige der durch uns beglückten Geschäftsinhaber am Ende eher glücklich darüber aus, dass sie uns loswurden, als darüber, etwas verkauft zu haben. Nach einem kleinen Rundgang schauten wir uns noch ein bisschen um und machten uns dann schon wieder auf den Rückweg. Wir fuhren nach Cototomey, kurz vor Cococondji gelegen, wo Heike und ich im Motel Karakachi übernachteten. Wir aßen hier noch alle gemeinsam Abendbrot, auf das wir gut eine Stunde warteten. Es hat sich aber wieder einmal gelohnt, die Fischspieße waren hervorragend. Beim Warten stellten wir anhand der Fernsehnachrichten fest, dass Benins Zeit der Togos um eine Stunde voraus ist. Das machte die Verabredung für die Abfahrt am morgigen Sonntag etwas komplizierter, aber wir bekamen es hin.

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