Freitag, 11. Juli 2008

Erste Eindrücke von Lomé


Nach einer unterschiedlich gut verbrachten Nacht – Maja schlief wie ein Stein, Heike und ich eher wie ein Kurzzeitwecker – wurden wir am Morgen von an Tür und Fenster klopfenden Einheimischen geweckt. Da wir ohnehin keine Möglichkeit gehabt hätten, uns mit ihnen zu verständigen, blieben wir noch ein wenig liegen. Der Reparatur der Toilettenspülung, einer erfrischenden Dusche und der Aktion „Weckt Maja“ folgte ein leckeres Frühstück bei Elee mit eingangs erwähntem Kaffee Togo, danach ging es auf in die Stadt. Das heißt, noch nicht gleich, denn nicht nur die Stoßdämpfer am Auto hatten einen Wechsel nötig, sondern auch die Batterie. Da letztere für das Fortkommen wichtiger war, wurde sie getauscht, und schon genossen wir die Fahrt durch die Millionenstadt mit völlig neuen Eindrücken.
 
Das Tageslicht offenbarte uns, dass Lomé ein riesiger „Drive in“ ist. Nichts, was man nicht am Straßenrand, quasi aus dem Autofenster, kaufen könnte. Von allen möglichen Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs über Kleidung, Kunstgewerbe und Benzin in Flaschen (für die zahlreichen Motorräder) bis hin zu Ledergarnituren und sogar Särgen wird hier alles am Straßenrand aufgebaut. Das heißt, von Straßenrand kann man nicht immer sprechen, abseits der Hauptstrecken sind die durchaus Alleenbreite erreichenden Wege einfach die Reste der mit Häusern überbauten ursprünglichen Natur, will heißen sandig und hucklig. An manchen Stellen bilden sich mittendrin kleine Müllkippen, die zuweilen langsam, aber dann unüberriechbar, vor sich hinglimmen.

Frauen in wunderschönen farbenfrohen Kleidern bewegen sich mit beeindruckender Körperhaltung fast schwebend durch die Hitze – man sollte den computergeschädigten mitteleuropäischen Wirbelsäulen unbedingt die hier alltäglichen Balanceakte als Therapie verordnen. Ob Schüsseln mit Wasserbeuteln, Baguette, Früchten, Fisch in frischer und getrockneter Form oder diverse andere Handelswaren – es gibt fast nichts, was hier nicht, gern auch ohne Unterstützung der Hände, auf dem Kopf transportiert wird. Eine der Ausnahmen sind die Babys. Die werden, mittels eines Tuches fixiert, auf dem Rücken getragen. Oft sind es die hellen Fußsohlen, die an den Hüften der Mutter blitzen, oder die Zöpfe der schon etwas älteren Mädchen, die schon von weiter weg zeigen, hier kommt wieder ein solches Duo. Apropos Zöpfe – die Frisuren der Frauen hier sind oft wahre Wunderwerke, man kann sich gar nicht satt sehen an den zahlreichen Variationen.


Im Zentrum von Lomé, übrigens die einzige Hautstadt der Welt, die an einer Staatsgrenze (der zu Ghana) liegt, besuchten wir zuerst eine Bank. Und das aus drei Gründen. Zum einen sollte sich der Besitzer des durch uns genutzten Autos, der hier arbeitet, ein merkwürdiges Geräusch anhören, zum anderen ging es darum, ein paar Euros in die hiesige Währung zu tauschen, Kurs 1:656, und außerdem wollten wir Firmin, einen Bruder Elees, besuchen, der zwar nicht in der Bank, aber in dem Gebäude arbeitet und dem Auto in dieser Woche immer nachts bei sich Unterkunft gewährt. Ein paar nette Begegnungen später und mit einem Packen Geldscheine für alle Einkaufstouren gewappnet ging es in einen Markt für Kunsthandwerk.

Wir wollten schon einmal die Preise sondieren, da wir ein paar Beweise der hiesigen Schnitzkunst mit nach Hause zu nehmen beabsichtigten. Bei Preisen zwischen umgerechnet 50 bis 200 Euro für die mittelgroßen Teile hatten wir danach zumindest erst einmal eine Grundlage. Weiter ging es durch die drückend heiße Stadt, bis uns ein angenehmes Lüftchen empfing. Das kam, wie uns Elee offenbarte, vom Meer, und an dieses zog es uns sofort, auch wenn wir eingedenk der Warnungen vor lebensgefährlichen Strömungen nicht vorhatten, hier baden zu gehen.

Mit nassen Beinen und reichlich Muscheln ging es dann wieder zurück, zum Mittag mit Yam-Wurzeln, Fisch, der schon bekannten Zwiebel-Tomaten-Mischung und einer überaus pikanten Pfefferpaste. Gekrönt wurde das Ganze von einer kühlen Flasche einheimischen Flag-Bieres, der wohl größten Konkurrenz des in Togo sehr beliebten EKU-Bieres, das, wie sollte es anders sein, ein Ergebnis deutscher Braukunst ist. Dann war Bescherung, schließlich kann man nicht so herzlich willkommen geheißen werden, ohne sich mit ein paar Gastgeschenken zu revanchieren. Ein Koffer voll war über die Monate zusammengekommen, ebenso gerne gegeben wie genommen, exakt so, wie es unter Freunden sein soll.

Zwei Stunden Ruhe gönnten wir uns dann, um abends wieder fit zu sein für ein Wechselbad der Gefühle. Das heißt, wir hätten ruhig noch länger relaxen können. Die afrikanische Zeitrechnung hat mit der deutschen nicht viel gemein – auch nicht bei einem Deutschlehrer. 45 Minuten nach dem verabredeten Termin ging’s los, zuerst wieder ins Stadtzentrum. Die Fahrt war ein neuer Höhepunkt, vorn saßen Mensa, Elee und ich, hinten Heike, Maja und Delphine mit Geraldo und Elodie. Lachend erklärte Elee, dass hier zwar auch Insassengrenzen gelten, aber es kontrolliert ohnehin keiner. Das hatten wir uns auch angesichts der vielen Zweiradfahrer gedacht, die fast alle ohne Helm und, wie Elee versicherte, auch in nicht geringer Zahl ohne Fahrerlaubnis unterwegs sind. Echte Härtefälle sind aber die Radfahrer. Wenn man sich einmal einen Einheimischen vor Augen führt, der mit dunkler Bekleidung auf einem durch keinerlei Licht oder Reflektoren beschwerten Rad sitzt, dann kann man sich vorstellen, wie solch ein die Straße kreuzendes Gefährt im Gegenlicht aussieht. Da bekommt das Wort „Schwarzfahrer“ doch eine völlig neue Bedeutung. Respekt für die hiesigen Autofahrer, dass es hier trotzdem noch Radfahrer in so großer Zahl gibt.

Die Trauerfeier bei einem Kollegen Elees, dessen 38-jährige Tochter nach schwerer Krankheit verstorben war, brachte einen kleinen Einblick in die Gebräuche der christlichen Gemeinde und wurde abgeschlossen von einem sehr bewegenden Gang an den Trauernden vorbei, bei dem man händeschüttelnd sein Beileid ausspricht. Was folgte, war eine fröhliche Geburtstagsfeier bei einem anderen Kollegen. Der, wie seine Frau Deutschlehrer am Goethe-Institut, hatte in sein großes Haus mit Garten geladen irgendwo im abendlichen – sprich stockdunklen – Dschungel des naturbelassenen Wegesystems. Zumeist französische Musik, leckeres Essen von Fleisch bis Fisch, pikanter Salat und die keine Wünsche offen lassende Getränkevielfalt sorgten bei immer angenehmer werdenden Temperaturen für einen wunderschönen Abend. Orangen- und Mangobaum sorgten zwar nicht für Schatten, aber für ein fremdländisches Flair wie auch die vielen Gäste. Die überaus aufmerksamen und sympathischen Gastgeber schenkten uns nicht nur viel ihrer Zeit, sondern auch das Vergnügen, uns in deutscher Sprache unterhalten zu können. Es ist schon beeindruckend, zu welcher Perfektion es diese Menschen darin gebracht haben, ich wünschte, meine Fremdsprachenkenntnisse würden dieses Niveau erreichen.

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